
Aktive Geräuschunterdrückung (Active Noise Cancelling, ANC) in Kopfhörern erfreut sich großer Beliebtheit, insbesondere bei jungen Menschen. Sie ermöglicht es, Umgebungsgeräusche auszublenden und Musik bei moderater Lautstärke zu genießen. Doch britische Fachmediziner äußern nun Bedenken, dass der häufige Gebrauch von ANC-Kopfhörern zu einer speziellen Form der Hörstörung führen könnte.
Das Wichtigste in Kürze
- Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS): Eine Hörstörung, bei der Betroffene trotz normalem Hörvermögen Schwierigkeiten haben, sprachliche Signale zu interpretieren.
- Möglicher Zusammenhang mit ANC-Kopfhörern: Mediziner vermuten, dass die ständige Ausblendung von Alltagsgeräuschen durch ANC-Kopfhörer das Gehirn daran hindert, natürliche Hörfähigkeiten zu entwickeln oder aufrechtzuerhalten.
- Forderung nach weiterer Forschung: Es besteht der Bedarf, die genauen Auswirkungen von ANC-Technologie auf das Hörvermögen intensiver zu untersuchen.
Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung: Ein Überblick
Die auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) ist eine Hörbeeinträchtigung, bei der das periphere Hörvermögen intakt ist, jedoch die Verarbeitung und Interpretation von Geräuschen im Gehirn gestört ist. Betroffene können beispielsweise gesprochene Worte in lauter Umgebung schwer verstehen oder die Richtung von Geräuschquellen nicht eindeutig bestimmen.
Traditionell werden Ursachen wie Hirnverletzungen oder Mittelohrentzündungen in der Kindheit für AVWS verantwortlich gemacht. Aktuell beobachten britische Mediziner jedoch eine Zunahme von AVWS-Fällen ohne diese klassischen Auslöser. Es wird vermutet, dass externe Faktoren, wie der übermäßige Gebrauch von ANC-Kopfhörern, eine Rolle spielen könnten.
Wie ANC-Kopfhörer das Hörvermögen beeinflussen könnten
ANC-Kopfhörer sind darauf ausgelegt, Umgebungsgeräusche durch Antischall zu reduzieren, wodurch Nutzer ihre Musik bei geringerer Lautstärke und mit weniger Ablenkung hören können. Hierfür gibt es viele beliebte Einsatzbereiche. Angefangen bei der Arbeit im Großraumbüro bis hin zum Musikhören im ÖPNV oder während eines Fluges sind ANC-Kopfhörer für viele Menschen ein echter Heilsbringer. Doch auch, wenn diese Technologie viele Vorteile mit sich bringt, scheint es Bedenken zu geben.
So könnte die kontinuierliche Nutzung dieser Technologie aus Sicht der Mediziner das Gehirn daran hindern, natürliche Geräuschfiltermechanismen zu entwickeln oder zu erhalten. Das Gehirn könnte „verlernen“, wie es Hintergrundgeräusche von relevanten akustischen Signalen unterscheidet. Dies könnte langfristig zu Schwierigkeiten führen, in geräuschvollen Umgebungen Gespräche zu verfolgen oder Geräuschquellen präzise zu lokalisieren.
Notwendigkeit weiterer Forschung und Empfehlungen
Angesichts dieser potenziellen Risiken fordern Mediziner umfassendere Studien, um den Zusammenhang zwischen der Nutzung von ANC-Kopfhörern und der Entwicklung von AVWS genauer zu untersuchen. Es gilt, Faktoren wie die Dauer und Intensität der Nutzung, das Alter der Anwender sowie die spezifischen Umgebungsbedingungen zu berücksichtigen. Bis belastbare Forschungsergebnisse vorliegen, raten Experten dazu, ANC-Kopfhörer wenn möglich, gewissenhafter zu nutzen. Die Kollegen von Golem.de haben mit Audiologin Angela Alexander gesprochen.
Diese empfiehlt den Nutzern regelmäßige Pausen einzulegen und den Transparenzmodus ihrer Geräte zu aktivieren, der Umgebungsgeräusche teilweise durchlässt. Dies könnte dazu beitragen, die natürlichen Hörfähigkeiten des Gehirns zu erhalten und einer möglichen AVWS vorzubeugen. Die Diskussion um die Auswirkungen von ANC-Technologie auf das Hörvermögen steht noch am Anfang. Es bleibt abzuwarten, welche Erkenntnisse zukünftige Studien liefern werden und wie sich diese auf die Nutzungsempfehlungen für ANC-Kopfhörer auswirken.