Der zweite Teil von “The Evil Within“ schließt direkt an den Vorgänger an. Nachdem sich herausstellte, dass das Horrorszenario in der Nervenklinik in einer simulierten Welt stattfand, muss Sebastian Castellanos nun ein zweites Mal in diese Simulation abtauchen, um seine totgeglaubte Tochter zu retten. Im zweiten Teil sollen vor allem die Ungereimheiten des Vorgängers ausgemerzt werden. Die Entwickler versprechen nicht weniger als das Genre des Survival-Horrors mit “The Evil Within 2“ wiederzubeleben.
Geschichte
Auch in diesem Teil ist die Handlung im STEM, einem mysteriösen Apparat, der auf der Gedankenwelt eines bestimmten Probanden basiert, angesiedelt. Alle weiteren Probanden, deren Gehirne mit dem Apparat verbunden werden, dringen ebenfalls in die Gedankenwelt ein. Besonders brisant ist die Tatsache, dass die simulierte Welt diesmal auf dem Gehirn von Sebastians totgeglaubter Tochter Lily basiert. Der unschuldige Verstand eines Kindes lässt sich leicht beeinflussen, was in der Horrorwelt permanent sichtbar ist – Mörder und Psychopathen gestalten die Welt in ihrem Sinne aus.
Sebastian, der glaubte, seine Tochter sei im Elternhaus verbrannt, erhält zu Beginn des Spiels einen unerwarteten Besuch von Kidman. Diese klärt ihn darüber auf, dass Lily nie tot war. Sie befand sich in den letzten Jahren in der Gewalt von Mobius, der Firma, die den STEM erfunden hat. Nun sei das Signal zur Hauptperson der neu geschaffenen Gedankenwelt abgerissen. Sebastians Hilfe wird also benötigt, um Lily in ihrer eigenen Gedankenwelt ausfindig zu machen und dadurch ihr Leben zu retten.
Spieler, die mit dem ersten Teil vertraut sind, dürften durch das Vorhandensein der simulierten Gedankenwelt, in die angeschlossene Probanden simultan eindringen können, nicht überrascht sein. Zur Verständnis der Geschichte ist die Vertrautheit mit dem ersten Teil zwar nicht unabdingbar, dennoch absolut empfehlenswert, da sich zahlreiche Querverweise finden.
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Optik
Bereits kurz nach dem Start des Spiels betritt Sebastian die Welt des STEM. Nachdem er einen surreal anmutenden Raum durchquert hat, tritt er in eine Wohnung, deren Wände von gruseligen Fotos geziert sind. Kalte Augen starren ihn aus den Bildern heraus an. Er blickt zurück auf Detailaufnahmen aufgeschnittener Pulsadern, zerfetzter Kehlen, blutrünstiger Zähne. Es sind die Aufnahmen des Todes. Genauer: Die Aufnahmen besonders qualvoller Tode. Ob des nächsten Raumes lässt sich diese Wanddekoration jedoch noch als erträglich bezeichnen.
Im Stile einer Kunstausstellung wird der Tod eines Technikers in Szene gesetzt. Sauberer Parkettboden, eine fachmännische Beleuchtung – und überall Blut. Blut, das aus dem zerschossenen Gehirn des Hauptdarstellers dieser Inszenierung in den Raum spritzt. Festgehalten scheinbar für die Ewigkeit schwebt er in der Bewegung eingefroren im Raum. Bereits diese erste Sequenz in der Welt der Gedanken spiegelt die grauenvollen Dimensionen eindrucksvoll. Todeskünstler und Psychopathen werden sich in der Folge jedoch nicht auf Inszenierungen unnatürlich zu Tode gekommener Menschen beschränken. Überall lauern Gestalten, die sich selbst die gestörteste Seele kaum auszudenken vermag.
Optisch ist das Spiel glanzvoll. Die Entwickler vermögen die Potentiale der surrealen Welt im zweiten Teil weitaus gekonnter zu nutzen als es beim Vorgänger der Fall war. Sie lassen kaum Möglichkeiten aus, die Schrecken dieser Welt grafisch darzustellen. Die selten real wirkenden Umgebungen, in denen der Protagonist sich bewegt, machen den Reiz des Spiels zu einem großen Teil aus. Die Spielwelt ist wesentlich größer als die des Vorgängers und lädt zum Erkunden ein. Trotz der linearen Handlung haben die Entwickler es geschafft, die Spielwelt in ihrer gesamten Breite zu einem wichtigen Teil des Spiels werden zu lassen. Dabei befindet sie sich ständig im Wandel. Ein Ort ist beim zweiten Besuch nur selten wiederzuerkennen. Orientierung fällt in dieser abstrusen Horrowelt folglich schwer.
Spielwelt und Charaktere
Vorweggenommen sei die Information, dass die Handlung sich im simulierten Ort “Union“, einer Kleinstadt abspielt. Der ständige Wandel dieses Ortes, der mehr und mehr zerfällt, ist direkt vom Zustand Lilys abhängig – Details und weitere Erläuterungen bieten sich im Spiel nach und nach. Im Gegensatz zum ersten Teil ist dem Spieler dieses Mal von Beginn an klar, dass er sich nicht in der Realität befindet. Die gesamte Spielwelt ist den Gedanken entsprungen – Lilys Gehirn bietet dabei gewissermaßen die Grundlage, wird durch die verschiedenen Antagonisten jedoch stark verändert bzw. manipuliert.
Auch für Sebastian bieten sich im STEM viele Möglichkeiten zur Beschäftigung mit den eigenen Gedanken. Nachdem er an den Apparat angeschlossen wurde, landet er zunächst in einem Zimmer, das seinen persönlichen Sicherheitsraum darstellt. Ausgestaltet wird es laut Kidman durch sein Unterbewusstsein. Die gesamte Handlung ist auch eine Reise in die Vergangenheit und in das Ich des Protagonisten. So ist er letztendlich nicht nur auf der Suche nach seiner Tochter, die er um jeden Preis retten will, sondern auch auf der Suche nach seiner Identität. Für den Spieler bietet diese Metaebene interessante Einblicke in das Seelenleben des Protagonisten, was für ein Horrorspiel absolut untypisch ist. Eine geradezu innige Beziehung zum Protagonisten, der durch den Spieler gesteuert wird, wird möglich, da seine Gedanken, Gefühle und Handlungen durchweg nachvollziehbar sind. Darüber hinaus werden auch die Nebencharaktere als Personen greifbar – es handelt sich bei diesen nicht um eindimensionale Figuren, die schlicht ein Ziel verfolgen, sondern um Menschen, die aufgrund innerer Antriebe handeln, die teilweise konträr und nicht immer stringent nachvollziehbar sind.
Die Entwickler schaffen durch diese Nähe zu der Gedanken- und Gefühlswelt der Charaktere ein Novum: Bindungen an die Charaktere eines Horrorspiels waren bisher kaum möglich, da sie oft kühl und distanziert wirkten. In “The Evil Within 2“ wird jedoch viel Wert auf die Entwicklung jeder einzelnen Figur gelegt.
Survival
Das Spiel lässt sich ganz eindeutig dem Genre des Horror-Survival zuordnen. So steht der Spieler immer wieder vor der Frage, wie er den Protagonisten am Leben erhalten kann. Soll der Gegner frontal angegriffen werden oder halte ich mich lieber versteckt? Schleiche ich davon oder springe ich ihn von hinten an? Derartige Fragen sind allgegenwärtig. So können wir Sebastian im Spiel agiler und wendiger machen – ebenso können wir ihn aber auch zu einem beinharten Kämpfer formen.
Munition bleibt auch in diesem Teil der Reihe sehr kostbar. Jeder verfehlte Schuss gerät ob der knappen Ressourcen zum Ärgernis. Die Übergänge zwischen den verschiedenen Spielstilen und -taktiken bleiben indes fließend. In jeder Situation kann individuell entschieden werden, wie Sebastian sich verhalten soll. Die Spannung bleibt so über das gesamte Spiel hinweg konstant aufrechterhalten.
Nicht nur Munition muss während des Spiels gesammelt werden. Darüber hinaus gilt es wie im Vorgänger eine grüne Masse einzusammeln, die vor allem durch das Töten von Gegnern entsteht. Mit ihr können die eigenen Fähigkeiten entscheidend verbessert werden. Daneben bietet es sich an, Dias zu sammeln, die aus Sebastians Vergangenheit stammen. Diese machen die im vorherigen Abschnitt beschriebenen Einblicke in seine Persönlichkeit erst möglich. Alle Sammelgegenstände sind in der gesamten Spielwelt verstreut und nicht sonderlich reichlich vorhanden. Den Entwicklern gelingt jedoch der schwierige Spagat zwischen Überfluss und extremer Verknappung.
Ein wenig enttäuschend muten einige der Gegner an: Zombies. Trotz der großen Kreativität, die immer wieder deutlich wird, werden massenweise Zombies als Gegner eingesetzt. Hier hätten die Entwickler auf ausgefallenere Kreaturen, die im Spiel ebenfalls anzutreffen sind, zurückgreifen können.
Technik
Technisch fallen leider einige Kritikpunkte auf. Das Grundgerüst ist zwar als durchaus sehenswert zu betrachten; die Entwickler gingen jedoch einige faule Kompromisse ein, die sich aus der offenen Spielwelt ergeben. Die künstlerische Gestaltung der Spielwelt ist zwar durchaus sehenswert, dennoch wäre technisch wesentlich mehr möglich gewesen. Insgesamt ist die technische Ausgestaltung der Spielwelt dennoch als grundsolide zu bewerten, der Spieler hat zahlreiche Möglichkeiten, Lichtqualität und weitere optische Einstellungen vorzunehmen.
Die Charaktere sind optisch und technisch zumeist einwandfrei gestaltet. In wenigen Ausnahmefällen wirken sie leicht deformiert, was häufig jedoch auf ungünstige Kamerawinkel oder eine suboptimale Beleuchtung der Szenerie zurückzuführen ist.
Soundeffekte sind rar gesät, fallen in einigen Fällen jedoch negativ auf. So ist ein Gewitter beispielsweise ausschließlich mit einem einzigen Donnerklang ausgestaltet, der im Sekundentakt abgespielt wird. Hier besteht definitiv Verbesserungsbedarf.
Fazit
Es handelt sich vor allem aufgrund der ausgeklügelten Geschichte, der vielen Dimensionen dieser und der greifbaren, emotional auftretenden Charaktere um ein absolut gelungenes Spiel. Auch das Gruselfeeling kommt in diesem Horror-Survival-Spiel nicht zu kurz. Lediglich hinsichtlich der technischen Ausgestaltung bzw. der Effekte hätte ein wenig mehr Variation dem Spiel gut getan. Insgesamt jedoch eine klare Kaufempfehlung.
Pro
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Contra
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+ enormer Tiefgang + schlüssiger Plot + interessante und gut umgesetzte Idee + logischer Anschluss an den ersten Teil |
– langsamer Start |
+ große Entscheidungsfreiheit + freie, enorm große Spielwelt, die sich ständig verändert + viele Nebencharaktere und Erzähllinien, die bestritten werden können + lineare Story, die dennoch große Freiheit hinsichtlich der Entwicklung und des Ablaufs lässt |
– teilweise uninteressante Gegner – Open World teilweise langatmig |
+ Hilfen und Anzeigen können bei Bedarf an- und abgeschaltet werden | – einige Funktionen sind gewöhnungsbedürftig |
+ Steuerung ist sowohl per Controller als auch per Tastatur möglich | + Nachteile bei der Steuerung mit dem Controller (weniger Aktionen gleichzeitig ausführbar) |
+ Teilweise sehr detaillierte Grafik + Sehr große, detailliert gestaltete Spielwelt |
– Eine bessere Grafik wäre problemlos möglich gewesen – Enttäuschende Soundeffekte |