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The Town of Light im Test: Auf den Spuren des Grauens

Beruhend auf einer wahren Begebenheit. Ein Satz, der entweder für Spott oder Gänsehaut sorgt. In diesem Fall definitiv das letztere. Denn das Spiel behandelt die brutale Behandlung von psychisch kranken Personen während des zweiten Weltkriegs. Dementsprechend sehr passend, diesen Satz „The Town of Light*“ einleiten zu sehen, ein neues Horrorspiel des Story-Adventure-Genres von dem italienischen Entwicklerstudio LKA.

Hier ist aber nicht nur die Geschichte wahr, sondern auch der Ort des Schreckens: „Ospedale Psichiatrico di Volterra“, eine italienische Psychiatrie nahe Florenz.

„Ospedale Psichiatrico di Volterra“ - The Town of Light
„Ospedale Psichiatrico di Volterra“

In „The Town of Light“ steigen wir in die Rolle der geistig konfusen und sehr verängstigten Renée, ein 16-jähriges Mädchen, welches 1938 in die Klinik zwangseingewiesen wurde.

The Town of Light
Renée wacht auf und weiß weder, wo sie ist, noch was passiert ist.

Einbildung oder Realität?

Das Spiel beginnt damit, wie wir in einem grauen Zimmer 1942 aufwachen. Danach werden wir in Begleitung von Pianomusik in die Gegenwart geführt. In der Gegenwart erkunden wir als mittlerweile erwachsene Renée die Anstalt, inzwischen ein verwaistes und verwahrlosest Gebäude. Dort gehen wir ihren Erinnerungen und Erlebnissen nach, die sie mit uns teilt. Dabei wissen weder wir noch unsere liebe Protagonistin, ob das alles Realität oder Einbildung ist.

How-to-Play

Renée spricht mit uns und gibt uns Aufgaben sowie Rätsel, die es zu lösen gilt. Diese sind generell ziemlich einfach gehalten, bis auf ein paar entscheidende Rätsel, die einem Kopfschmerzen bereiten könnten. Oder den Drang Dr. Google zu befragen auslösen könnten.

Der Beginn vom Ende

Mit jedem erfolgreichen Lösen eines Rätsels, schalten wir eine Erinnerungssequenz frei. Diese sind immer grau und unscharf gehalten, damit wir sie klar als Erinnerungen identifizieren können. Ganz am Anfang von „The Town of Light*“ sind diese Sequenzen noch relativ kurz und beinahe harmlos. Doch immer weiter ins Spiel hinein werden sie nicht nur länger, sondern auch immer schauriger. Genauso wie prägend – für Renée und uns. So wird Renée von einem Pfleger misshandelt und vergewaltigt. Sie wird von ihrer einzigen Freundin, und auch später Liebe, getrennt. Ihre Sachen wurden ihr schon bei der Einweisung abgenommen, aber die Briefe ihrer Mutter werden nicht an sie weitergeleitet. Die meiste Zeit in der Klinik verbringt sie unter Drogen gesetzt in der Abteilung für halbruhige Geisteskranke. Dort wurde sie auch gern ans Bett gefesselt.

The Town of Light
Renée erinnert sich daran, wie sie für eine Behandlung vorbereitet wurde. Sie hatte Angst. Und wir erleben es aus erster Perpektive, als seien wir das Opfer und nicht sie.

Eine Denervierung soll’s sein!

The Town of Light
Reneé wird zur Lobotomie gebracht.

Aber nichts von alledem hatte sie umgebracht, zumindest nicht psychisch. Bis wir zu ihrer letzten Erinnerung kommen. Da erleben wir eine wunderschöne Lobotomie, ebenfalls in der Ego-Perspektive. Schließlich wollen wir doch das angenehme Gefühl von Gänsehaut nicht missen wollen. Für diejenigen unter auch, die mit diesem Begriff nichts anfangen können: Bei einer Lobotomie handelt es sich um einen äußerst schmerzhaften neurochirurgischen Eingriff, der bei vollem Bewusstsein stattfand. Als Folge traten oft Persönlichkeitsstörungen und der Emotionalität auf. In den 40-ern war das eine sehr verbreitete Methode zur Behandlung von psychischen Krankheiten.

Eine Seele stirbt

The Town of Light
Renée hat versucht sich umzubringen – erfolglos.

Renée erlitt besagte Schäden und danach war sie kaum ansprechbar. Innerlich tot. Mehrfach hatte sie versucht, ihr Leid zu beenden. Sich einfach umzubringen. Aber das klappte nie, dafür waren die Schwestern doch zu achtsam. So fand Renée ein sehr schleichendes Ende in der Klinik.

Von Hilfe und einer ahnungslosen Außenwelt

Was ist mit ihrer Familie? Hat sich niemand für sie interessiert? Warum hat ihr niemand geholfen? Alles berechtigte Fragen auf die wir umso traurigere Antworten finden. Ihre Mutter, ihre Familie, hat Renées Briefe nie erhalten und der Versuch, sie aus der Klinik zu holen, blieb erfolglos. Sie hatte keine Ahnung, was ihrer Tochter dort eigentlich angetan wurde. Schließlich verstarb sie und Renée hat zu ihren Lebzeiten nie davon erfahren.

Es gab Angestellte, die Mitleid hatten. Eine der Schwestern war immer besonders nett zu den Insassinnen und es gab auch Ärzte, die Renée schmerzfrei behandelten oder gar entlassen wollten. Aber so weit kam es aufgrund mangelnder Kommunikation zwischen den Abteilungen nicht. Hinzu kommt, dass diverse Vorfälle wie Renées Vergewaltigung und darauffolgende und erzwungene Abtreibung komplett unter den Tisch gekehrt wurden von entsprechenden Autoritäten. In der Außenwelt wusste ebenfalls niemand von der miesen Behandlung der Patienten.

  • Gefundener Stuff 1
  • Gefundener Stuff 3
  • Gefundener Stuff 2

Brutale Realität

Das mögen wir uns alles nicht vorstellen können, aber das „The Town of Light*“ sorgt dafür, dass wir das nie wieder vergessen werden. Noch lange nach dem Spiel denken wir über das Schicksal des armen Mädchens nach. Darüber, wie scheiße sie einfach behandelt wurde. Darüber, wie allein sie war. Darüber, wie gängig dieses Grauen früher war. Ja, diese Dinge sind während des zweiten Weltkriegs wirklich geschehen. Ja, das fand alles in der psychiatrischen Klinik in Volterra statt. Ja, das ist der wahre Horror.

Alles nur Klischee?

„The Town of Light“ ist ein Horrorspiel. Aber nein, wir rennen nicht um unser Leben und sterben aufgrund von Jumpscares. Statt solcher überdrüssigen Methoden wird hier auf eine düstere und „kranke“ Atmosphäre gebaut. Das heißt, der Schauplatz ist eine alte und dunkle Klinik aus Zeiten des zweiten Weltkriegs (eigentlich ein ziemlich klassischer Ort für so manche Horrorgeschichten), die Musik und die Hintergrundgeräusche untermalen das schaurige Ambiente und eine schaurige Geschichte mit einem jungen Mädchen im Fokus. Klingt alles nach einem längst ausgelutschten Klischee. Aber es ist nicht zu vergessen, dass es sich hier nicht um einen Stephen King Bestseller handelt, sondern um tatsächlich geschehene Ereignisse. Diese Kliniken und ihre ekelhaften Machenschaften, wie sie in „The Town of Light“ dargestellt werden, sind alles – nur keine Fiktion.

  • The Town of Light
  • The Town of Light

Realer Horror: eine Stärke

Es handelt sich hier also um „wahren“ Horror. Horror, über den man nicht lachen kann. Horror, der einen erschaudern lässt. Horror, der einem dankbar sein lässt, nicht zu dieser Zeit gelebt zu haben. Da liegt auch die Stärke und Besonderheit von „The Town of Light*„: der reale Horror. Außer in der zweiten Staffel von American Horror Story findet man den nicht so oft. Zumindest nicht gut umgesetzt.

Gut – doch nichts Neues

The Town of Light
Gefundene Filmrollen können mit Hilfe der Projektoren betrachtet werden.

Sonst ist „The Town of Light“ eigentlich nichts Besonderes. Ein klassisches Story-Adventure mit der Ego-Perspektive und authentischer Atmosphäre. Grundsätzlich ist das Spiel sehr linear geahlten, sprich man sucht Auslöser für die Erinnerungen und kommt so in der Geschichte voran. Jedoch haben wir ab und an die Möglichkeiten, die Geschichte ein klein wenig zu beeinflussen. Zum beispiel, als Renée die Krankenakte liest, können wir uns entscheiden, wie weit wir lesen wollen oder was wir dazu denken. Durch diverse Wahlen können wir also in leicht alternatve Kapitel gelangen. Wir haben als Spieler also auch ein paar Freiheiten. Definitiv ein Pluspunkt für die Neugiergen unter uns und den Wiederspielwert.

Die technische Ebene

Auf technischer Ebene schwächelt „The Town of Light“. Gestochen scharfe Texturen und äußerst detailreiche Umgebungen lassen sich nur selten finden. Dafür sind Licht- und Schatteneffekte besonders gelungen und wie schon erwähnt, punktet das Spiel visuell mit seiner authentischen Umsetzung des Schauplatzes. Letztendlich gleicht sich das also wieder aus.

The Town of Light
Ein Spielplatz nahe der Klinik. Mit diesem verbindet Reneé schöne Erinnerungen.

Deutsche Synchronisation: Wer’s mag…

Eine Kleinigkeit habe ich noch zu bemängeln: die deutsche Synchronisation. Wie vielleicht sogar bekannt, haben Gronkh und Pandorya dem Spiel die deutschen Stimmen verliehen. Mir war die englische Fassung da jedoch lieber, da mir die deutsche an einigen Stellen einfach zu emotionslos bzw. auch zu abgelesen wirkte. Aber Übersetzungsfehler waren jetzt keine dabei, also alles ziemlich solide.

Fazit zu The Town of Light

Alles in allem, ist „The Town of Light*“ ein sehr gutes Spiel, auch wenn es eigentlich beinahe anspruchslos ist. Es wird seinem Genre gerecht und man kann es sogar wiederspielen, wenn man sich im Kopf noch bereit dazu fühlt. Wenn nicht, auch nicht schlimm. Schließlich sind Misshandlung, Vergewaltigung und Folter keine leicht zu verdauenden Themen.

Wenn wir als kleine Überlegung am Rande nochmal über den Titel nachdenken und die Bedeutung von Licht in dem Spiel, ist das schon ziemlich ironisch. Schließlich verbinden wir mit Licht Hoffnung, doch Renée sah darin nur Böses. Wahrscheinlich deshalb auch „die Stadt des Lichts“. So gesehen hieße das nämlich „die Stadt des Bösen“.

Das Spiel kann für den PC, Xbox One und PS4 für 19,99€ erworben werden.

Pro
Contra
Story/Atmosphäre
100%
+ Gruselambiente ohne billige Jumpscares
+ berührende Story
+ Mental-Health-Issues werden respektvoll behandelt und dementsprechend dargestellt
– Triggerwarning wäre an manchen Stellen doch angebracht gewesen
Grafik
85%
+ sehr gute Licht- und Schatteneffekte – Texturen und co. sind eher „altbacken“, nichts Neues
Balance
85%
+ kein Tutorial nötig
+ keine Showstopper
+ regelmäßige Ortswechsel
+ kleinen Einfluss auf den Spielverlauf dank der Entscheidungen
+ interessante Ingame-Collectibles
+ Kapitel separat anspielbar
+ authentisches Szenario
– Eintönigkeit bei der Spielmechanik
– manche Details der Story sind eher unverständlich dargestellt
– kurze Spielzeit ( drei bis fünf Stunden), Story hat Potenzial für mehr
– beinahe Anspruchslos
Sound
80%
+ passende Soundeffekte
+ guter Soundtrack, der Stimmung untermalt
+ gelungene deutsche Textübersetzung
– die Stimme von „Pandorya“ ist oft einfach zu monoton, was nicht zur Emotionaltät der Story passt

CrazieShortie

Ich bin Isabell, gebürtige Norddeutsche und schon in frühen Jahren habe ich mich für Videospiele und dergleichen begeistert. Momentan bin ich neunzehn Jahre alt und studiere in Lübeck.

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