Die Corona-Pandemie hat das Arbeitsleben Vieler ordentlich durcheinander gewirbelt. Hierfür ist nicht zuletzt die temporäre Homeoffice-Pflicht verantwortlich, die zur Eindämmung der pandemischen Lage galt. Viele Unternehmen setzen nach wie vor darauf, ihren Arbeitnehmern die Wahl zwischen klassischem Büro oder Homeoffice zu überlassen. Doch mit dem Homeoffice-Trend werden auch einige wichtige rechtliche Fragen aufgeworfen. Ein spannendes Urteil wurde nun in den Niederlanden gefällt. In unserem Nachbarland hat ein Arbeitnehmer Recht bekommen, der seine Webcam im Homeoffice abschaltete, obwohl der Arbeitgeber ihn zum einschalten aufforderte.
Webcam-Pflicht im Homeoffice in den Niederlanden nicht rechtens
Manche Arbeitgeber treten ihren Mitarbeitern mit ein wenig Misstrauen entgegen. Dies ist unter anderem beim Thema Homeoffice der Fall. So fürchten sich einige Unternehmen davor, dass die Arbeitnehmer die wertvolle Arbeitszeit nicht zur Erbringung der Arbeitsleistung nutzen, sondern einen Großteil davon verschwenden. Um diesem angeblichen Problem Einhalt zu gebieten, setzen manche Unternehmen auf Kontrolle. So auch der US-Software-Dienstleister Chetu. Dieser fordert seine Mitarbeiter nämlich dazu auf, im Homeoffice dauerhaft die Webcam eingeschaltet zu lassen. So möchte man überprüfen, ob auch tatsächlich gearbeitet wird.
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Doch ein Mitarbeiter wollte sich dies nicht gefallen lassen und ließ seine Kamera ausgeschaltet. Mit der Verweigerung bekam er auch direkt die Quittung in Form einer Kündigung. Selbstverständlich wollte der Gekündigte dies nicht auf sich sitzen lassen und ging gerichtlich gegen die Verbannung aus dem Unternehmen vor. Wie sich nun herausstellt, war das Vorgehen von Chetu alles andere als rechtens. So hat das in dem Fall zuständige Bezirksgericht Zeeland-West-Brabant geurteilt, dass eine Webcam-Pflicht vom Arbeitgeber unwirksam ist. Der ehemalige Mitarbeiter von Chetu soll nun einen Schadensersatz in Höhe von 75.000 Euro erhalten.
Mitarbeiter wollte keine ganztägige Videoüberwachung im Homeoffice
Führt man sich einmal vor Augen, was Chetu von seinem Mitarbeiter verlangte, kann man die Reaktion durchaus nachvollziehen. Im Rahmen eines Schulungsprogramms sollte der Kläger nämlich den gesamten Arbeitstag nicht nur in dem entsprechenden Programm eingeloggt sein. Obendrein forderte das Unternehmen, dass die Webcam dauerhaft eingeschaltet bleibt und der Bildschirm geteilt wird. Und das für neun Stunden täglich. Mehr Kontrolle geht wohl kaum, weshalb sich der Mitarbeiter gegen die Aufforderung sträubte. Da der Arbeitgeber das Verhalten als Arbeitsverweigerung auffasste, erhielt der Mitarbeiter einige Tage später per E-Mail seine fristlose Kündigung.
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Gericht sieht Grundrechte verletzt
Man muss kein Jurist sein, um in diesem Fall Bauchgrummeln zu bekommen. Schließlich erinnert die Praxis des US-Unternehmens an einen Überwachungsstaat. Chetu hingegen ist sich keiner Schuld bewusst und möchte keinen Unterschied zwischen einer dauerhaft angeschalteten Webcam und der Anwesenheit im Büro erkennen. Hier belässt das Unternehmen aber außer Acht, dass aus dem Begriff Homeoffice bereits das „Zuhause“ des Mitarbeiters hervorgeht. Mithin hätte der Arbeitgeber jeden Tag neun Stunden lang in die Privatsphäre des Arbeitnehmers einsehen können. Eine Rechtfertigung dafür hat das Gericht an keiner Stelle gesehen. Schließlich hätte man das Ganze auch mit ausgeschalteter Webcam erreichen können.
Im Rahmen seines Urteils berief sich das Gericht auf ein wegweisendes Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser urteilte 2017, dass eine Videoüberwachung am Arbeitsplatz nur in absoluten Ausnahmefällen möglich sei. Ein solcher ist bei einer einfachen Schulung wohl keinesfalls gegeben. Doch nicht nur aus Sicht der Grundrechte ist das Vorgehen von Chetu mehr als fragwürdig. Obendrein zweifelte das Gericht bereits an der Wirksamkeit der Kündigung selbst. Schließlich sei aus der Kündigungsmail nicht wirklich hervorgegangen, welches Verhalten des Mitarbeiters eine fristlose Kündigung rechtfertige. Von Arbeitsverweigerung wie es in der E-Mail angeführt wurde, kann man in diesem Fall obendrein nicht sprechen.