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Woke: Das ist die Bedeutung

Wer in den letzten Jahren eine Zeitung, vorzugsweise die Welt, die FAZ oder gar die Bild aufgeschlagen, oder den konservativen bis stramm rechten Politikern unterschiedlichster Länder gelauscht hat, wird über einen Begriff gestolpert sein, dessen Bedeutung sich nicht direkt erschließt: woke. Was genau mit dem Begriff – das passende Substantiv: Wokeness – gemeint ist, erklären wir im vorliegenden Artikel.

Was ist die Bedeutung von woke? Ein Blick auf den gegenwärtigen Begriffsgebrauch

Im gegenwärtigen Begriffsgebrauch ist das Wort woke kaum klar von anderen schwammigen Allgemeinbegriffen abzugrenzen: Vielfach wird es gleichbedeutend mit identitätspolitisch, aber auch allgemeiner mit politisch links oder mit progressiv verwendet. Zurückzuführen ist das primär darauf, dass das Wort zum Kampfbegriff der rechten Szene geworden ist. Unter dem Begriff der Wokeness subsumiert etwa der weit rechts zu verortende Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, verallgemeinernd all jene gesellschaftspolitischen Bestrebungen, die konträr zu seinen konservativen Werten stehen.

DeSantis unterzeichnete etwa den Stop W.O.K.E. Act, der die Vermittlung von Critical Race Theory, ergo: die Beschäftigung mit strukturellem Rassismus, in Floridas Schulen verbietet. In seine Anti-Wokeness-Bemühungen ordnet DeSantis auch ein Gesetz ein, das es verbietet, an Floridas Schulen andere als heterosexuelle Lebensweisen zu thematisieren. Dieses gilt bisher nur an Grundschulen, soll jedoch auf alle Schulen ausgeweitet werden.

Ron DeSantis
Floridas Gouverneur Ron DeSantis hat sich einen „Kampf gegen Wokeness“ zum Programm gemacht.

Auch in Deutschland zeigt sich der Sammelbegriffcharakter deutlich. Markus Söder etwa sprach anlässlich des politischen Aschermittwochs 2023 von Wokeness als Leitmotiv der Ampelregierung. Was genau er damit meinte, erläuterte er nicht. Er stellte jedoch einen Bezug zum Gendern an Schulen und Hochschulen her. Auch in das CSU-Grundsatzprogramm hat der Begriff es geschafft: „Wir treten […] jeder Form von Extremismus, egal von rechts, links oder religiös motiviert entschieden entgegen. Eine neue Erscheinung ist der linke Kulturkampf in Form von Identitätspolitik, Wokeness und Cancel Culture. Diese Ideologien sind das Gegenmodell zur Liberalitas Bavariae“.

Wokeness wird dort mit politischem Extremismus und im nächsten Satz mit dem Bemühen, „die Menschen umerziehen zu wollen“, in Verbindung gebracht. Was genau damit gemeint ist, bleibt jedoch weiterhin unklar. Auch die Gegenüberstellung der Liberalitas Bavariae, der bayerischen Toleranz, erhellt den Begriff nicht – verdeutlicht jedoch einmal mehr die stark negative Konnotation, die er im konservativ-rechten Diskurs hat.

Stay woke – der Ursprung des Begriffs

Der wenig eindeutige Begriffsgebrauch innerhalb konservativer und recht(sextremer) Bewegungen sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Begriff woke bzw. Wokeness eigentlich eine klare Bedeutung hat. Hilfreich ist diesbezüglich ein Blick auf den Begriffsursprung. Der Begriff geht auf das Verb to wake, erwachen bzw. aufwachen, zurück und wird teilweise als Partizip Perfekt an Stelle von woken verwendet. Er bedeutet damit so viel wie erwacht.

Gebraucht wurde der Begriff nachgewiesenermaßen ab der Mitte des 20. Jahrhunderts von antirassistischen Bewegungen. So wird er etwa im Lied „Scottsboro Boys“ des Sängers Leadbelly verwendet. Das Lied thematisiert den Fall der sog. Scottsboro Boys: Neun schwarze Jugendliche bzw. junge Erwachsene wurden 1931 beschuldigt, in Alabama zwei Vergewaltigungen begangen zu haben; anlässlich der Prozesse wurde auf das Problem des strukturellen Rassismus in den USA und der Voreingenommenheit durch rein weiße Jurybesetzungen aufmerksam gemacht. Die Aufforderung „stay woke“ meint im Zusammenhang des Liedes, sich rassistisch motivierte (Vor-)Verurteilungen bewusst zu halten.

Diese Bedeutung wurde im Laufe der Zeit erweitert: Statt als Individuum das Bewusstsein für rassistisch motivierte Diskriminierung aufrechtzuerhalten, um dieser entgehen zu können, wird heute mit „stay woke“ dazu aufgefordert, strukturellen Rassismus wahrzunehmen – und in der Folge zu bekämpfen. Als beispielhaft hierfür kann die Verwendung im Rahmen der Black-Lives-Matter-Proteste gesehen werden.

Marcia Fudge
Marcia Fudge, seit 2021 US-Ministerin für Wohnungsbau, hält 2018 ein T-Shirt mit der Aufschrift „Stay woke“ in die Kamera.

Darüber hinaus lässt sich eine Ausweitung auf ähnlich gelagerte strukturelle Diskriminierungsformen beobachten. „Stay woke“ wird heute nicht nur im Zusammenhang mit strukturellem Rassismus, sondern etwa auch im Zusammenhang mit strukturellem Sexismus verwendet.

Insgesamt in diese Richtung deutet auch die Duden-Definition des Begriffs: „in hohem Maß politisch wach und engagiert gegen (insbesondere rassistische, sexistische, soziale) Diskriminierung“.

Fazit: Was bedeutet woke?

Abschließend lässt sich festhalten, dass klar zwischen der pejorativen Verwendung des Begriffs durch konservative bis rechtsextreme Kräfte und der Begriffsverwendung innerhalb linker Bewegungen unterschieden werden muss. Während letztere, primär mit der Aufforderung „stay woke“, auf strukturelle Diskriminierung hinweisen, verwenden erstere ihn meist als Sammelbezeichnung für die politische Agenda unterschiedlicher linker Kräfte. Die reine deutsche Übersetzung von woke lautet erwacht bzw. aufgewacht, erfasst die Begriffsbedeutung jedoch keineswegs adäquat.

Simon Lüthje

Ich bin der Gründer dieses Blogs und interessiere mich für alles was mit Technik zu tun hat, bin jedoch auch dem Zocken nicht abgeneigt. Geboren wurde ich in Hamburg, wohne nun jedoch in Bad Segeberg.

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