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ChatGPT: Politik möchte vorerst keine rechtlichen Neuregelungen

Chatbots wie ChatGPT sorgen derzeit bei vielen Verlagen für schlaflose Nächte. Während diese sich um ihre künftigen Einnahmen Gedanken machen, mahnt die Politik an, erstmal einen kühlen Kopf zu bewahren.

Verlage fordern zunehmend Lizenzgebühren von ChatGPT

ChatGPT ist derzeit in aller Munde. Das KI-gestützte Tool ermöglicht ein automatisiertes Verfassen von Texten in einer nie zuvor da gewesenen Qualität. So ist es selbst Experten häufig nicht möglich, zwischen einem von ChatGPT und einem Menschen verfassten Werk zu unterscheiden. Doch hinter den Texten von ChatGPT steht keine eigenständige Leistung des Chatbots. Stattdessen fußt das Tool auf einer gigantischen Datenbank, die stetig wächst. So kann das Programm auf Grundlage der im Internet frei zugänglichen Informationen eigene Texte entwerfen. Diese fußen ihrerseits jedoch auf Texten, die Autoren verfasst und Webseiten veröffentlicht haben. Umso verärgerter zeigen sich derzeit Verlage über das Nichtstun der Politik. Da ChatGPT fremde Werke nutzt, verlangten sie vor einigen Tagen von der deutschen Politik ein Handeln. Insbesondere über Lizenzgebühren müsse man dabei aus Sicht der Pressehäuser sprechen.

Auch wenn eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums gegenüber den Kollegen von Golem.de feststellt, dass die bereits geltende rechtliche Lage genügend Mechanismen wehrhaften juristischen Handelns vorsieht, beunruhigen internationale Beispiele dann doch. So ist mittlerweile wohl auch bekannt geworden, dass man  selbst kostenpflichtige Inhalte der Presse einsehen könne. Nutzern in den USA sei es mithilfe des Chatbots in Microsofts Suchmaschine Bing gelungen, sich Inhalte von Artikeln ausgeben zu lassen, die eigentlich hinter einer Paywall schlummern. Betroffen war dabei das namhafte Blatt „The New York Times“. Sollte sich dieses Problem verschärfen, sind nicht mehr nur die Urheberrechte der Journalisten betroffen. Obendrein droht ein Fortgang zahlender Abonnenten. Dementsprechend werden die Forderungen nach Lizenzgebühren nun international immer lauter. Schließlich hat ChatGPT die Schuldfrage in dieser Angelegenheit so ehrlich beantwortet, wie es nur eine Künstliche Intelligenz kann.

Francesco Marconi, seinerseits Journalist für PC-Technik, fragte das Tool, welche Quellen es beziehe. Die Antwort förderte zutage, dass traditionelle Pressehäuser wie BBC News, die Washington Post und der Guardian, aber auch moderne Blätter wie Wired und Tech Crunch als Quelle dienen. Und das sind nur die bekanntesten Vertreter. OpenAI dürfte für das Training seines ChatGPT so ziemlich jede halbwegs seriöse Nachrichtenquelle heranziehen. Dementsprechend müssten Verlagshäuser bereits für dieses Training Geld verlangen können. So zumindest die Ansicht von Jason Conti, Chefsyndikus bei News Corp. (Mutterkonzern hinter u.a Wall Street Journal). Dieser sagt gegenüber dem Nachrichtenportal Bloomberg, dass es bislang noch keine vergleichbaren Vereinbarungen gäbe.

Texte von ChatGPT verstoßen nicht gegen Urheberrecht

Ein Verstoß gegen das deutsche Urheberrecht liegt in der Regel nur dann vor, wenn sich der Urheber eines Werkes in einem neuen Werk zweifelsfrei erkennen lässt. Es muss also stets ein gewisser Abstand zum Ursprungswerk gewahrt bleiben. Da ChatGPT unzählige Quellen für seine Texte heranzieht, entsteht im Ergebnis eine Mixtur derart vieler Urheber, dass kein Ursprung mehr erkennbar ist. Ein Verstoß gegen das Urheberrecht wird man hier also in den seltensten Fällen feststellen können. Anders sieht es jedoch beim Thema des sogenannten Text und Data Mining aus. Hier geht es darum, dass OpenAI die Texte von Verlagshäusern nutzt, um seinen Chatbot anzulernen. Nur so ist es nämlich möglich, dass dieser einen entsprechenden Text in der eigenen Datenbank vorfindet. Dementsprechend gibt es in diesem Bereich einige offene Fragen, die durchaus zu klären sind.

Die FDP sieht indes immense Chancen in ChatGPT und warnt davor, dem Chatbot voreilig Fesseln anzulegen. So sagt Maximilian Funke-Kaiser, Sprecher der Bundestagsfraktion der Liberalen, gegenüber Golem.de, dass ChatGPT die Arbeit vieler Unternehmen erleichtern könnte. Auf Nachfrage warnt er sogar davor, den Verlagen zu sehr entgegenzukommen und das Leistungsschutzrecht anzupassen. Schließlich könnte das aus seiner Sicht zur Folge haben, „dass das System nicht mehr in der Lage ist, auf bestimmte Online-Inhalte zuzugreifen oder diese zu verarbeiten“. Die rechtspolitische Sprecherin der FDP, Katrin Helling-Plahr pflichtet Ihrem Parteikollegen bei. Sie betont, dass man den Möglichkeiten von ChatGPT „nicht im Weg stehen“ wolle. Dafür sollten aus ihrer Sicht „Rechtspositionen […] im digitalen Zeitalter neu gedacht werden“.

Einigkeit im Bundestag

Doch die FDP-Fraktion steht mit ihrer Ansicht keinesfalls allein auf weiter Flur. Vielmehr scheint es im Bundestag einhellige Meinung zu sein, dass man ChatGPT nicht voreilig verteufeln solle und juristische Anpassungen bzw. ganze Neuregelungen erst einmal unangebracht seien. Es sei eher wichtig, dass vorhandene Regelungen vehement umgesetzt werden. So sind im geltenden EU-Recht bereits umfangreiche Vorgaben zum Text und Data Mining festgeschrieben. Generell scheint in der Politik Einigkeit darüber zu herrschen, dass man neuen Technologien keine Steine in den Weg legen möchte, ohne Urheber dabei finanziell zu benachteiligen.

Um beide Interessen in Einklang zu bringen, möchte man zunächst abwarten, ob die derzeit bei vielen prophezeite „Pressezerstörung“ durch ChatGPT tatsächlich in die Wege geleitet wird. Sollte dies der Fall sein, dürfte eine erneute Debatte über alternative Einnahmemodelle für Verlage unvermeidbar sein. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass überparteilich die Angst herrscht, dass zu strenge juristische Anforderungen an Chatbots einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen bedeuten könnten.

ChatGPT ist erst der Anfang

Für viele Experten gilt ChatGPT aus dem Hause OpenAI als Blaupause für die Zukunft. Schließlich werden nach diesem Tool viele weitere an den Start gehen, die ähnliche Services bieten werden. Besonders blickt man diesbezüglich auf die Pläne von Google. Der Suchmaschinengigant werkelt derzeit nämlich auch kräftig am eigenen Chatbot. Dabei werden es allerdings nicht primär Urheberrechtsfragen sein, die die Politik beschäftigen. Vielmehr befürchtet man bereits jetzt, dass Google aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ein großes Problem darstellen könnte. Schließlich bietet der Tech-Konzern selbst diverse Services an, die ihrerseits dann unbemerkt Einzug in den Ergebnissen von „Google Bard“ halten könnten. Man stelle sich nur einmal vor, dass man Googles Chatbot nach dem besten Friseur vor Ort fragt und „Bard“ dann mit dem Unternehmen antwortet, das am meisten Geld an den Suchmaschinen- und Werbegiganten bezahlt hat.

Bislang ist das aber noch Zukunftsmusik. Wir sind gespannt, wie lange die Politik ChatGPT noch grenzenlos gewähren lassen kann. Fest steht, dass man den Verlagen zumindest insoweit entgegen kommen muss, als dass kein grenzenloses Text und Data Mining mehr stattfinden dürfe. Hier ist eine Zustimmung des Urhebers einfach Pflicht. Möglicherweise können sich diesbezüglich OpenAI und die Verlagshäuser einigen. Spätestens dann, wenn andere Chatbots das Feld betreten, werden die zugrundeliegenden Daten noch einmal einen höheren Stellenwert erhalten. Schließlich belebt Konkurrenz bekanntermaßen das Geschäft. Womöglich profitieren die Verlage dann sogar von der neuen technischen Errungenschaft, da ihre Texte und Daten mit Kusshand gegen Zahlung einer attraktiven Lizenzgebühr abgekauft werden. Hätte man nur eine Glaskugel zur Hand…

Jens Scharfenberg

Gaming und Technik waren stets meine Leidenschaft. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Als passionierter "Konsolero" und kleiner "Technik-Geek" begleiten mich diese Themen tagtäglich.

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