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Heimlich erstellte Gesichtsdatenbank mit drei Milliarden Fotos aufgedeckt

Laut einer Recherche der New York Times soll das kleine Startup Clearview AI die wohl bisher weltweit größte Fotodatenbank zur Gesichtserkennung aufgebaut haben. Genutzt hat das Unternehmen dafür rund drei Milliarden Bilder von Menschen aus verschiedenen Internetquellen, darunter öffentliche zugängliche Bilder von Facebook, YouTube und Venmo sowie Millionen kleinerer Webseiten. Das Scraping von Nutzerbildern ist bei den meisten Webseiten zwar ein technisch relativ einfacher Vorgang und ermöglicht so die Erstellung großer Datenbanken, verstößt üblicherweise aber gegen die Nutzungsbedingungen.

Wie eine Unternehmensquelle berichtet, wurde die Gesichtserkennung im vergangenen Jahr bereits 600 Behörden als Dienstleistung angeboten. Ein möglicher Einsatzzweck in den USA ist zum Beispiel die Identitätsfeststellung bei der Einreise, die aktuell schon per Gesichtserkennung funktioniert und dazu Bilder genutzt, die speziell dafür aufgenommen wurden. Auch das FBI könnte ein möglicher Kunde sein, weil die Datenbank der Ermittlungsbehörde „nur“ 400 Millionen Bilder umfasst und die deutlich größere Datenbank von Clearview somit eine höhere Genauigkeit verspricht.

98,6 Prozent Treffergenauigkeit

Laut einem Dokument des Startups liegt die derzeitige Treffergenauigkeit bei der Gesichtserkennung bei 98,6 Prozent, was laut Clearview „die höchste der Welt“ ist. Falschtreffer (false positives), also Personen, die von der Software als eine andere Person erkannt werden, können somit nahezu ausgeschlossen werden. Die Trefferquote der Datenbank, also die Anzahl an Personen, die anhand der vorliegenden Bilder identifiziert werden können, liegt derzeit zwischen 30 und 60 Prozent. Clearview verspricht eine Steigerung auf 80 Prozent bis Ende 2019. Erreicht wird dies laut dem Unternehmen durch „hunderte Millionen neuer Gesichter, die monatlich der Datenbank hinzugefügt werden.“

Stalking der Journalisten

Anstatt auf Nachfragen der Journalisten, die um eine Stellungnahme gebeten hatten, zu antworten, berichten diese davon, dass Clearview ihnen hinterherspioniert hat. Möglicherweise sollte so Druck aufgebaut werden, um die Veröffentlichung des Artikels zu verhindern. Konkret berichten die Journalisten davon, dass einige Polizisten, die Bilder der Journalisten zu Recherchezwecken über ihre Datenbank überprüft hatten, danach Anrufe von Clearview bekommen hatten, in denen es um eine mögliche Zusammenarbeit mit der Presse ging. Clearview selbst bestreitet dies und erklärt, dass es zwar Anrufe gab, dass diese aber nur erfolgten, weil aufgrund ungewöhnlicher Suchanfragen das Alarmsystem der Software Meldungen ausgab.

Gründung im Jahr 2016

Gegründet wurde Clearview erst im Jahr 2016 von den Entwicklern Hoan Ton-That und Robert Schwartz. Robert Schwartz arbeitete in der Vergangenheit bereits für den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Guiliani. Finanziert wurde die Erstellung des Gesichtserkennungsdatenbank unter anderem durch den US-Milliardär Peter Thiel, der vor allen als Facebook-Investor und Paypal-Mitgründer Berühmtheit erlangte. Thiel gehört zu den wenigen einflussreichen Personen des Silicon Valley, die öffentlich den umstrittenen US-Präsidenten Donald Trump unterstützten. Mit „nur“ 200.000 US-Dollar, die im Jahr 2017 geflossen sind, ist die Investition des Milliardärs in das Startup allerdings relativ gering. Ein besonders kritischer Punkt ist hierbei allerdings, das Thiel, der dem Aufsichtsrat von Facebook angehört, damit gezielt ein Unternehmen finanziert hat, das gegen die Nutzungsbedingungen des sozialen Netzwerks verstößt. Ton-That sagte dazu lediglich, dass „viele Leute“ gegen die Regeln Facebook verstoßen und dass dies „Facebook bekannt sei.“

Einsatz durch die Polizei im US-Bundesstaat Indiana

Bisher ist bekannt, dass die Polizei im US-Bundesstaat Indiana die Gesichtserkennungssoftware von Clearview eingesetzt hat. Ob das Unternehmen noch andere Kunden hat, die die Software aktiv verwenden, ist nicht bekannt. Laut der Polizei von Indiana konnten durch den Test innerhalb von wenigen Minuten einige Fälle aufgeklärt werden, bei denen verdächtige Personen identifiziert wurden. Dabei wurde unter anderem eine Person anhand eines Handyvideos in Fotos eines sozialen Netzwerks wiedererkannt. Besonders Schwartz, der aus seiner Arbeit bei Guiliani gute Kontakte zu den Republikanern pflegt, soll Kontakte zu Behörden hergestellt haben.

Computerbrille in Planung

Neben der Gesichtserkennungssoftware, die derzeit noch einen Computer benötigt, arbeitet Clearview noch an einer Computerbrille, die praktisch in Echtzeit Personen identifiziert, die sich im Blickfeld des Trägers befinden. Verkauft werden soll laut Clearview dieses Produkt allerdings nicht.

Als Reaktion auf den Bericht der New York Times gab es eine Reihe von Meldungen aus der Politik und von Bürgerrechtlern. US-Senator Ron Wyden von der Demokratischen Partei sagte beispielsweise, dass ihn die Situation Sorgen bereitet. Er verlangt daher, dass Amerikaner darüber informiert werden müssten, ob ihre Fotos bereits heimlich in die Datenbank aufgenommen wurden.

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