Geschlossene Schulen, welche mit der Coronakrise einhergehen, machen vielen Eltern zu schaffen. So müssen sie neben der Arbeit nicht nur in die Rolle des Lehrers schlüpfen. Zum Teil sehen sie sich auch mit Mehrkosten konfrontiert, die das Distanzlernen ihrer Kinder verursacht. Grundvoraussetzung für den Online-Unterricht ist nämlich ein funktionstüchtiger PC. Damit dies für eine sozial schwache Familie nicht zur finanziellen Belastung wird, hat das Landessozialgericht Thüringen nun über die Kostenübernahme in einem Einzelfall entschieden. Laut der Gerichtsentscheidung muss das Jobcenter hier in Kasse treten.
Kostenübernahme von Rechner und Zubehör
Im Fokus der Entscheidung steht eine Achtklässlerin, deren Eltern staatliche Unterstützung durch Hartz IV beziehen. An einem PC und entsprechendem Zubehör fehle es bislang in der Familie, wodurch eine Teilnahme am Online-Unterricht schlichtweg nicht möglich sei. Notwendig sei nicht nur der PC, sondern auch ein passender Bildschirm, eine Tastatur, ein Drucker sowie eine Maus. In seiner Urteilsverkündigung sagte der Richter, dass die Kosten für das Gesamtpaket nicht über 500 Euro liegen dürfen. Grundlage der Entscheidung ist das Sozialgesetzbuch II (SGB II). Hier wird in einem Aktenzeichen von einer Kostenübernahme bei „anzuerkennenden unabweisbaren laufenden Mehrbedarf gesprochen“. Beim Computer samt Zubehör dürfte es sich wohl zweifelsohne um einen solchen Mehrbedarf handeln.
Hartz IV berücksichtigt derartige Ausgaben nicht
Wenn man einen Blick in den Leistungskatalog von Hartz IV wirft wird eines schnell deutlich. Die coronabedingten Mehrausgaben, die nun auf sozial schwache Familien zukommen, werden hier nicht abgedeckt. Laut Aussage des Gerichts sei dies in der gegenwärtigen Coronakrise nicht „realitätsgerecht“. Die Anschaffung eines Computers ist derzeit schlichtweg alternativlos und erforderlich. Nur so kann die Antragstellerin ihr Recht auf Bildung wahrnehmen. Der Haushalt des Mädchens beherbergt lediglich ein Smartphone, welches eine Internetverbindung herstellen kann. Allerdings sei damit keinesfalls eine Nutzung der Schulcloud des Bundeslandes möglich.
Maximalbetrag von 500 Euro
Die Schülerin selbst habe sich im Rahmen ihres Antrags für eine Gerät im Wert von 720 Euro interessiert. Hier musste das Gericht jedoch intervenieren. Mit der Begründung, dass es nicht um die „bestmögliche Versorgung“ gehe, legte es einen Maximalbetrag von 500 Euro fest. Da es sich beim Onlineunterricht um keine herausfordernden Anwendungen handle, sei auch ein günstiges oder gar gebrauchtes Gerät vollkommen ausreichend. Es stehe nun in der Entscheidungsgewalt des Jobcenters, dem Kind einen PC samt Zubehör zur Verfügung zu stellen oder aber die entsprechenden Kosten zu übernehmen.
Wenn man sich die günstigen Produkte von MEDION ansieht, die Ende Januar bei Aldi verfügbar sein werden (wir berichteten), dürfte das Kind wohl auch mit diesem Budget fündig werden. Der Weg zu der Gerichtsentscheidung war ein langer. Zunächst lehnte das zuständige Jobcenter den Antrag der Mutter des Mädchens ab. Anschließend ging sie zum Sozialgericht Nordhausen, wo sie ebenfalls auf Ablehnung stieß. Schlussendlich entschied das Landessozialgericht Thüringen als nächsthöhere Instanz, dass der Antrag berechtigt sei. In Folge dessen ordnete es das Jobcenter unanfechtbar an, dem Antrag stattzugeben.
Keine Bindung für deutsche Gerichte
Damit scheint ein Präzedenzfall geschaffen worden zu sein. Allerdings ist dem nicht so. Tagtäglich werden in Deutschland Sozialgerichte bemüht, über die Kostenübernahme von PCs und Zubehör zu entscheiden. Und dabei kann man leider nicht immer einen so realitätsnahen Richter wie in diesem Fall beobachten. Allerdings dürfen nun nicht tausende Familien bundesweit aufatmen. Schließlich handelt es sich hierbei um eine reine Einzelfallentscheidung, die keine zukünftige Bindung für das Jobcenter entfaltet. Dennoch kann man hierin durchaus ein wegweisendes Urteil für zukünftige Belange von Familien mit Anspruch auf Hartz IV sehen. Das Landessozialgericht kam im Rahmen eines Eilverfahrens zum Urteil. Damit muss die Familie noch gespannt die Entscheidung in der Hauptsache abwarten. Mit einem entsprechenden abschließenden Urteil können wir aber wohl erst dann rechnen, wenn wieder ein normaler Präsenzunterricht möglich ist.