In der EU stellt die IT-Branche den größten Lobbyakteur dar. Mit jährlichen Ausgaben von 97 Millionen Euro rangiert sie noch vor so einflussreichen Branchen wie der Pharmaindustrie, der Finanzwirtschaft oder der Chemieindustrie. Die Daten stammen aus einer Studie der Organisation Lobby Control und des Corporate Europe Observatory.
612 Organisationen tätig
Der Studie zufolge sind in der EU 612 Unternehmen, Vereinigungen und Verbände aus der IT-Branche damit befasst, Einfluss auf die Politik in diesem Bereich zu nehmen. Ungefähr ein Fünftel der Organisationen soll aus den USA stammen. In China und Hongkong haben hingegen weniger als ein Prozent ihren Sitz. Ganz anders sieht es jedoch aus, wird der Blick auf die innerhalb der einzelnen Unternehmen oder Verbände tätigen Akteurinnen und Akteure gerichtet: Das chinesische Unternehmen Huawei, das immer wieder im Verdacht steht, Spionage für China zu betreiben, stellt mit neunzehn Lobbyistinnen und Lobbyisten das personell am besten aufgestellte Unternehmen dar. An zweiter Stelle steht Facebook mit vierzehn Beschäftigten. Google steht mit seinen 5,5 Stellen in der Lobbyarbeit an zehnter Stelle.
Bei Betrachtung der eingesetzten finanziellen Ressourcen ergibt sich wieder ein anderes Bild: Hier führt Google mit Zahlungen von jährlich sechs Millionen Euro die Liste an. Es folgen Facebook mit 5,5 Millionen Euro, Microsoft mit 5,25, Apple mit 3,5 und Huawei mit 3 Millionen Euro.
174 Treffen mit EU-Kommission seit Dezember 2019
Das Geld fließt dabei vor allem in Treffen mit der EU-Kommission: Seit Dezember 2019 hat es derer 174 Stück gegeben – alleine durch die sechs größten Unternehmen der Branche. Die meisten Treffen hatte Google, hier kam es zu 46 Begegnungen. Es folgen Microsoft und Facebook mit jeweils 40 Treffen. Amazon kommt auf zwanzig Zusammenkünfte mit der EU-Kommission, während Apple und Huawei es auf je vierzehn Stück bringen.
Dass die IT-Unternehmen als wichtige Player verstanden werden müssen, zeigt sich auch am Digitale-Dienste- und am Digitale-Märkte-Gesetz, das von der EU-Kommission Ende 2020 vorgestellt wurde: Zu diesen Gesetzen hat es seitdem 271 Treffen gegeben, von denen 202 durch Unternehmen oder ihre Branchenverbände wahrgenommen wurden. Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Verbauchendenverbände, die anders als jene keine eigenen Wirtschaftsinteressen verfolgen, trafen sich hingegen nur 52-mal aus diesem Grund mit der EU-Kommission.
Stärkere Kontrolle gefordert
Die beiden Organisationen, die die Studie veröffentlicht haben, wollen mit dieser auch und vor allem Kritik an der EU üben und eine stärkere Kontrolle im Lobbybereich einfordern. So drängen sie etwa auf Lobbytransparenz ohne Hintertüren sowie darauf, den Wechsel von ehemaligen EU-Beamtinnen und -Beamten in Lobbypositionen zu unterbinden. Ferner machen beide Organisationen sich dafür stark, die IT-Branche stärker zu regulieren und ihre Macht zu begrenzen.