Technische Neuerungen verändern unseren Alltag. Von der Entdeckung des Feuers bis hin zur Erfindung der Virtuellen Realität lässt sich minutiös nachzeichnen, wie sich menschliches Zusammenleben, aber auch Einzelerfahrungen gravierend verändert haben. Die Veränderungen, die durch die technischen Entwicklungen bedingt sind, sind dabei nie nur auf einen einzelnen Lebensbereich beschränkt – sie diffundieren vielmehr durch alle Grenzen hindurch und beeinflussen damit die Gesamtexistenz. Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass auch traditionelle Festlichkeiten sich im beständigen Wandel befinden. Mit Ostern vor der Tür stellt sich im 21. Jahrhundert daher etwa die Frage, wie KI und VR die Ostererfahrung verändern. Wir haben einige Fallbeispiele zusammengetragen, die der Illustration der graduellen Verschiebungen – denn von wirklicher Transformation kann bisher nicht die Rede sein – dienen.
Die bebilderte Ostergeschichte
Noch reichlich traditionell mutet ein Experiment des Bistums Essen aus dem Jahr 2023 an. Um die eigene Botschaft auch im 21. Jahrhundert verständlich und niedrigschwellig zugänglich zu machen, hat das Bistum sich dazu entschieden, eine KI-generierte Bebilderung der Ostergeschichte erstellen zu lassen. Neben der Neugierde hinsichtlich der Möglichkeiten der neuen KI steht dahinter der offen kommunizierte Wunsch, als Kirche die eigenen Traditionen bewusst dem Zeitgeist anzupassen, um nicht an Relevanz zu verlieren. Hier geht es folglich weniger um eine individuelle als um eine institutionelle Ostererfahrung, die durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz gestaltet werden soll. „Als Christen sind wir aufgefordert, unsere Botschaft immer wieder neu und auf zeitgemäße Weise zu erzählen“, äußerte der Pressesprecher des Bistums Essen, Ulrich Lota, sich damals zum Gedanken hinter der KI-Ostergeschichte. Die Rolle der Künstlichen Intelligenz in der Transformation der Ostererfahrung ist damit zumindest in diesem Kontext eine klar umgrenzte: Sie ist Werkzeug der eigenen Außendarstellung bzw. der Gestaltung der eigenen Narrative. Aus der Hand gegeben wird die Ostererzählung damit jedoch keineswegs – auch wenn der in Essen zu sehende Jesus auf dem E-Scooter zunächst ein wenig befremdlich anmuten mag.
Virtuelle Ostereiersuche
Wesentlich säkularer mutet eine beliebte Einsatzmöglichkeit Virtueller Realität an: Virtuelle Ostereiersuchen sind mit der Pandemie aufgekommen und zumindest als Schlechtwetternotnagel geblieben. Die Suche im virtuellen Raum kann dabei auf zwei Wegen vonstattengehen. Neben der vollimmersiven VR-Erfahrung sind auf dem Markt auch AR-Apps erhältlich, mit denen sich virtuelle Ostereier im faktischen Raum platzieren lassen. Das Funktionsprinzip ist abseits dieser Detailfrage jedoch ähnlich: Kinder werden – ausgestattet mit Smartphone und/oder VR-Brille – auf die Suche nach versteckten digitalen Ostereiern geschickt. Wird die VR-Variante gewählt, so bieten sich hier relativ spektakuläre Möglichkeiten. Insbesondere die mit hochmodernen und technisch ausgefeilten Videospielen aufwachsende jüngste Generation dürfte sich hier eher wiederfinden als beim Streifzug durch den österlich kalten Kleingarten. Interessant ist dabei, dass das Grundprinzip trotz der Verlagerung in den Raum der Virtualität bewahrt bleibt – ein Muster, das sich bei vielen technischen Neuerungen der jüngeren Vergangenheit zeigt.
KI-Osterbotschaften
Du wolltest schon immer einmal einen persönlichen Ostergruß vom Papst erhalten? KI macht es möglich. Mit neuesten KI-Modellen lassen sich täuschend echte Videos erstellen, mit denen wir jede beliebige Person jeden beliebigen Text aufsagen lassen können. Was in der politischen Sphäre hochproblematisch ist und etwa zu Wahlkampfmanipulationen beitragen könnte oder im Ukrainekrieg bereits als Deepfake genutzt wurde, kann auch für harmlosere Zwecke eingesetzt werden – etwa, um personalisierte Osterbotschaften zu erstellen. Hierbei verwischen – anders als in den beiden bisherigen Beispielen – erstmals die Grenzen zwischen Fakt und Fiktion: Die Technologie verändert hier nicht nur die Ostererfahrung, sondern trägt im erheblichen Maße zu einer Fiktionalisierung unserer faktischen Lebenswelt bei. Die KI-generierte Osterbotschaft stellt überdies keinen Ersatz für eine analoge Variante dar (dafür würde ein einfaches Video genügen), sondern produziert eine materialisierte Wunschwelt. Hier zeigt sich daher besonders eindrücklich sowohl Potential als auch Gefahr der Künstlichen Intelligenz. Bezogen alleine auf die Ostererfahrung mag dabei erstgenannter Punkt überwinden – solange die KI-Botschaft auch als lustiges Gimmick verstanden wird.
Von der KI geplante Osterausflüge
Wesentlich nützlicher erscheint da die vierte große Neuerung: KI-geplante Osterspaziergänge liegen im Trend. Aus wenigen Informationen basteln ChatGPT und Co wundervolle Ausflüge, die bestens zur Jahreszeit bzw. zum Feieranlass passen. Wer seine Zielregion, das Osterthema und vielleicht noch einige Vorlieben wie Abneigungen angibt, kann von klug geplanten Ausflügen profitieren – ganz ohne sich vorher durch Reiseführer oder Internet zu wühlen, um das nächste Ostereimuseum oder die beeindruckendste Kirche der Region ausfindig zu machen. Hier tritt die KI als Helferin auf, die Organisationsarbeit abnimmt – und die eigentliche Ostererfahrung damit stärker in den Vordergrund rücken lässt.
KI und VR selbst an Ostern nutzen
Damit bleibt die Frage, wie wir selbst KI und VR nutzen können, um unser Ostererlebnis zu verschönern. Die vier vorgestellten Fallbeispiele weisen dabei in eine klare Richtung: Nutzen wir die neuen Technologien als kleine Helfer, die uns Planungsarbeit abnehmen, überkommene Traditionen in die Gegenwart transportieren helfen und manchmal für eine witzige Abwechslung gut sind, können wir den Grundgedanken und das Grundkonzept unserer Osterfeierlichkeiten bewahren, ohne dabei anachronistisch zu leben oder uns mit zu viel Arbeit zu beladen.