Wahn und Wirklichkeit liegen nah beieinander. Das weiß vermutlich niemand besser als Edward Pierce. Der Privatdetektiv nimmt sich einem Fall an, der ihn auf die Spuren eines uralten Mythos führt. Der düstere Thriller von Cyanide Studios und Publisher Focus Home Interactive, basierend auf dem Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft und dem Pen & Paper-Rollenspiel von Chaosium, ist seit dem 30. Oktober 2018 erhältlich. In diesem Testbericht erfahrt ihr, auf welches Abenteuer ihr euch mit Pierce in Call of Cthulhu einlasst.
Urlaubsgrüße aus Darkwater
1924 – Edward Pierce, ein traumatisierter Kriegsveteran, dessen beste Freunde die Flasche und Schlaftabletten sind, hält sich als Privatdetektiv mehr schlecht als recht über Wasser. Sein neuster Fall führt ihn nach Darkwater Island, einer trostlosen Insel, irgendwo vor der Küste Bostons, wo er den Tod der Familie Hawkins untersuchen soll. Tote Wale, Alkohol und Legenden aus der Vergangenheit prägen das Bild der Insel und ihrer Bewohner.
Doch schon bald wird deutlich, dass auf dem Eiland weitaus mehr im Argen liegt, als der Fall zunächst vermuten lässt. Da es in den finsteren Gewässern um Darkwater keine Wale mehr zu geben scheint, hat die Insel mit dem Walfang ihre Haupteinnahmequelle verloren. Über die Familie Hawkins und ihren Tod kursieren Gerüchte. Die abweisenden Einwohner haben andere Sorgen und sind dem Detektiv gegenüber bestenfalls bedingt hilfreich. Trotz allem nimmt Pierce die Ermittlungen auf und verfängt sich nach und nach in einem gefährlichen Netz aus Lügen, Verschwörungen, Albträumen und Wahnsinn.
Irgendwas stimmt hier nicht
Nicht nur die beklemmende Atmosphäre der Insel und die zwielichtigen Einheimischen machen Pierce das Leben schwer. Der von Albträumen geplagte Detektiv sieht sich schon bald mit seiner eigenen Psyche konfrontiert. Je tiefer ihr mit Pierce in die Geschehnisse auf Darkwater Island eintaucht, desto mehr leidet die geistige Gesundheit des ehemaligen Soldaten.
Die eigene Psyche ist auch Gegenstand des Horrors. Im Gegensatz zu anderen Genrevertretern funktioniert das in Call of Cthulhu richtig gut. Zwar gibt es Abschnitte, in denen ihr euch mit einer direkten Gefahr auseinander setzten müsst, aber der eigentliche Horror verläuft schleichend und liegt in der Atmosphäre. Es sind die Hinweise, das Verhalten der Einwohner, die Kleinigkeiten, über die ihr stolpert und die euch ein ungutes Gefühl geben. Mit jedem Stück setzt sich das Gesamtbild mehr und mehr zusammen. Dazu die Ungewissheit, ob das, was passiert, die Wirklichkeit, eine Vision oder ein Albtraum ist. Der Horror hat keine greifbare Form, es ist hauptsächlich ein permanentes ungutes Gefühl, dass die Situation jeder Zeit eskalieren kann.
Der Kern des Horrors im Cthulhu-Mythos wird getroffen. Die Angst vor einer Macht, deren bloße Existenz sich bereits jeglichem rationalen Verständnis entzieht, und die Frage, ob man überhaupt etwas dagegen auszurichten vermag oder letztendlich doch machtlos ist.
Was hier einst geschah
Um den Geschehnissen rund um die Hawkins-Familie auf den Grund zu gehen, ist jede Menge Detektivarbeit gefragt. Die einzelnen Kapitel sind vielseitig gestaltet. Ihr dürft nicht nur verschiedene Örtlichkeiten der Insel untersuchen, der Gameplay-Fokus ändert sich mit der aktuellen Aufgabe. Die meiste Zeit werdet ihr mit tatsächlicher Ermittlungsarbeit verbringen. Ihr erkundet die Umgebung, sammelt Hinweise, untersucht Objekte und redet mit anderen Charakteren. Außerdem kann Pierce die vergangenen Ereignisse an dem jeweiligen Ort gedanklich visualisieren, um so nachzuvollziehen was dort geschehen ist. Alle Informationen werden in einem Tagebuch festgehalten.
In einem anderen Abschnitt ist es euer Ziel, aus einem Gebäudekomplex zu entkommen. Da Gewalt keine Lösung ist, müsst ihr hier versuchen, möglichst unbemerkt zu bleiben. Ein anderes Kapitel konfrontiert euch mit einem Monster, welches Jagd auf Pierce macht. Ihr könnt euch zwar vor den Feinden verstecken, jedoch hat Pierce Probleme mit Dunkelheit und engen Räumen. Versteckt ihr euch in einem Schrank, erleidet der Detektiv eine Panikattacke. Je länger er in dem engen Raum ausharren muss, desto heftiger sind die Auswirkungen. Die Sicht verschwimmt, verdunkelt sich, die Bewegung und Orientierung sind beeinträchtigt.
Reine Rätselpassagen und Fluchtsequenzen kommen ebenfalls vor. Die Rätsel sind abwechslungsreich, logisch und gelungen in die Umgebung integriert. Die Mechaniken der Stealth- und Actionpassagen, sind eher simpel gehalten, aber zweckmäßig und ausreichend. Die nervenaufreibenderen Abschnitte wechseln sich häufig mit den ruhigeren ab, was nicht nur angenehm zu spielen ist, sondern zwischendurch die Anspannung etwas rausnimmt.
Ihr seid auch nicht ständig allein mit Pierce unterwegs. Gelegentlich werdet ihr von anderen Charakteren begleitet, die sich mit Pierce verbündet haben und vielleicht ähnliche Ziele verfolgen. In einigen Kapitel wechselt der Protagonist und ihr erlebt einen Teil der Geschichte aus der Perspektive einer der Personen aus Pierces Umfeld.
Ein Detektiv mit vielen Facetten
Erleichtern könnt ihr euch die Ermittlungsarbeit durch das Verbessern eurer Fähigkeiten. Mit Voranschreiten des Spiels erhaltet ihr Punkte, die ihr in praktische Fähigkeiten wie beispielsweise Redegewandtheit, Ermittlung oder Stärke investieren könnt. Medizin und Okkultismus lassen sich hingegen nur verbessern, indem ihr bestimmte Gegenstände findet, es lohnt sich also sich stets gründlich umzuschauen.
Abhängig von diesen Fähigkeiten ergeben sich oftmals mehrere Wege eine Aufgabe zu lösen. Mit der Fähigkeit Entdeckung kann Pierce versteckte Objekte in seiner Umgebung finden. Diese Objekte sind nur verfügbar, wenn die Fähigkeit sich auswirkt. Eine Tür, die mit einem Mechanismus verschlossen wurde, könnt ihr öffnen, indem ihr euch entweder daran macht, das zugehörige Rätsel zu lösen, eine Brechstange findet oder ihr stellt euren Stärkewert auf die Probe, um den Mechanismus in Gang zu setzen. Ihr habt auf die Fähigkeitsprobe keinen Einfluss, ihr drückt die Taste und es funktioniert entweder oder nicht. Das lehnt sich zwar an das System von Pen & Paper-Spielen an, kann aber ein wenig frustrieren, wenn man eine interessante Entdeckung macht und Pierce nichts Nützliches dazu sagen kann, weil die Probe nicht gelungen ist.
Außerdem benötigt ihr für einige Aktionen und Dialogoptionen in bestimmten Fähigkeiten einen Mindestwert, um die Option verfügbar zu machen. Auch Pierces Verhalten im Umgang mit anderen Charakteren kann euch Wege eröffnen oder verschließen. Der Wirt in der Bar wird Pierce eher Alkohol verkaufen, wenn der Detektiv sich nicht direkt bei der Begrüßung auf Konfrontationskurs begibt, andernfalls kann es passieren, dass er die Bedienung verweigert. Dadurch könnt ihr beeinflussen, welche Art Detektiv Pierce in eurem Spiel sein soll. Legt ihr zum Beispiel großen Wert auf Stärke stehen euch in einigen Abschnitten andere Optionen zu Verfügung, als wenn ihr viele Punkte in Redegewandtheit investiert habt.
Dies wird dein Schicksal verändern
Wer irgendeinen Teil der Telltale-Adventures wie The Walking Dead oder The Wolf Among Us gespielt hat, wird diese Situation kennen: Eine Entscheidung resultiert in dem berühmten „XYZ wird sich das merken“, was jedoch nur selten wirkliche Konsequenzen hat. In Call of Cthulhu wird sich zwar XYZ nicht merken, was ihr sagt, dafür verändert ihr euer Schicksal. Nach bestimmten Handlungen und manchen Dialogoptionen erhaltet ihr den Hinweis „Dies wird dein Schicksal verändern“. Tatsächlich gibt es vier verschiedene Enden. Welche davon euch im Finale offenstehen, hängt unter anderem von euren vorangegangenen Entscheidungen ab. Da das Spiel auf manuelle Speicherstände verzichtet, sondern an festgelegten Checkpoints automatisch speichert, sind eure Entscheidungen endgültig.
Es ist ein uraltes Grün…
Während ihr versucht, den Geschehnissen auf dem Eiland auf den Grund zu gehen, besucht ihr die verschiedensten Örtlichkeiten und seid dabei in der Egoperspektive unterwegs. Steuern könnt ihr euren Protagonisten in der PC-Version wahlweise mit Maus und Tastatur oder einem Controller. Die Tastenbelegung lässt sich für Maus und Tastatur individuell anpassen. Beides funktioniert gut, auch wenn die Menüführung mit der Tastatur etwas umständlich sein kann.
Ob der Hafen der Walfänger, die Villa der Hawkins oder das medizinische Institut, es gibt überall viel zu entdecken. Die Level sind stimmungsvoll und detailreich gestaltet. Ein durchgehendes Motiv ist das schummerige grüne Licht und die düstere Atmosphäre. Bestärkt wird die unbehagliche Atmosphäre durch die Soundkulisse. Zeitweise ist es einfach still und nur hin und wieder ist ein unheimliches Geräusch zu vernehmen. Das Spiel verfügt über eine englische Synchronisation und deutsche Untertitel.
Ein Makel sind die Charaktermodelle. Deren Animationen wirken teilweise klobig und hölzern. Grafisch ist das Spiel vermutlich keine Augenweide, aber das Gesamtbild ist stimmig.
Fazit zum Call of Cthulhu Test
Call of Cthulhu ist einfach genau das, was es sein will und dabei ist es richtig gut. Das Spiel setzt auf unverbrauchte und subtilere Horrorelemente. Keine ständigen Verfolgungsjagden bei der ein Jump Scare den nächsten jagt. Derartige Elemente kommen zwar vor, sind aber gezielter und wirkungsvoller eingesetzt. Stattdessen deckt ihr nach und nach die Geschehnisse auf, die immer größere Ausmaße annehmen und mit jeder vermeintlichen Antwort neue Fragen aufwerfen.
Das Ermitteln und Erkunden macht Spaß. Edward Pierce ist ein Charakter mit Stärken und Schwächen und tritt als kompetenter Ermittler auf. Die Kapitel und Aufgaben sind abwechslungsreich gestaltet und es bleibt bis zum Schluss spannend. Wer ein Detektiv-Abenteuer mit Horrorelementen erleben möchte, wird hier mehr als gut bedient. Für Kenner des Cthulhu-Mythos wird die Handlung vermutlich keine allzu großen Überraschungen bereithalten, die vielen cleveren Kleinigkeiten und Details machen die Geschichte trotzdem interessant.
Die Spielzeit beträgt etwa acht bis zehn Stunden. Durch die Entscheidungen und verschiedenen Wege ist ein Wiederspielwert gegeben. Call of Cthulhu ist für den PC aktuell für 44,99€ auf Steam und für die Playstation 4 und Xbox One ab € 17,55 * erhältlich.
Pro
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Contra
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+ spannend bis zum Schluss
+ verschiedene Enden |
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+ abwechslungsreiche Level und Aufgaben
+ Fähigkeiten ermöglichen verschiedene Vorgehensweisen |
– einige Mechaniken simpel gehalten, aber ausreichend |
+ Logische Rätsel
+ meistens mehrere Lösungswege für eine Aufgabe |
– durch simple Mechaniken teilweise weniger anspruchsvoll |
+ Controller Support am PC
+ Tastenbelegung anpassbar |
– Menüführung etwas umständlich |
+ gelungene Atmosphäre und Soundkulisse
+ detailreiche und interessante Orte |
– Charaktermodelle und Animationen teilweise grob und hölzern |