Etwas spät, aber noch rechtzeitig vor Beginn des nächsten Zyklus, ist hier unser Testbericht zu The Sinking City. In dem Open World-Adventure von Frogwares Game Development und Publisher Big Ben Interactive versucht ihr als Privatdetektiv eine Stadt vor dem Untergang zu retten.
Eisiger Empfang
Der Wahnsinn zieht seine Kreise und hinterlässt Spuren. Charles Reed, Kriegsveteran und seines Zeichens Privatdetektiv, untersuchte in Boston Fälle von Wahnsinn, während er sich selbst von Albträumen und Visionen geplagt sieht. Die Spur führte ihn nach Oakmont, einer Küstenstadt, die kürzlich von einer unheimlichen Flut heimgesucht wurde und seitdem zu großen Teilen unter Wasser steht. Dies ist jedoch nicht die einzige Sorge der geplagten Bewohner, denn mit dem Wasser kamen seltsame Kreaturen und Monster. Kurz nach der Ankunft am Hafen des beschaulichen Städtchens, wird der Neuankömmling Reed mit einem ersten Fall beauftragt. Schon bald wird der Privatdetektiv in die unheilvollen Vorgänge in der Stadt verwickelt. Robert Throgmorton, einer der einflussreichsten Bürger der Stadt, hat eine Expedition finanziert. Einige Experten sollten die Ursache für die Vorkommnisse in Oakmont finden. Im Zuge dessen sollte der Meeresboden untersucht werden. Bei der Unternehmung scheint jedoch etwas schief gelaufen zu sein, es gibt keinen Kontakt mehr zu der Expeditionsgruppe und der einzige Rückkehrer wurde umgebracht.
Die Geschichte entfaltet sich von da an immer weiter. Zwar hat der Privatdetektiv ein Ziel, allerdings lässt sich das nicht wirklich direkt angehen. Die Hauptstory, der ihr folgt, besteht aus einzelnen Fällen. Die Zusammenhänge im Gesamtbild und die vielen kleinen Geschichten fügen sich dadurch nach und nach zusammen.
Unheimliche Tiefen
Sowohl die Hauptstory als auch die Nebengeschichten verbinden Elemente aus Krimi, Mystery und natürlich Horror. In The Sinking City lebt der Horror besonders von der Atmosphäre und einzelnen unheimlichen Momenten. Es gibt zwar eine direkte Gefahr, durch die Kreaturen aus dem Meer, die bekämpft werden kann, jedoch bleiben auch der psychische Horror und Wahnsinn eines Cthulhu-Settings nicht aus. Denn in Oakmont greift eine uralte, tiefe Macht um sich.
Nicht nur Charles Reed leidet unter merkwürdigen Visionen. In der ganzen Stadt leiden Menschen unter den Folgen der Flut. Für Reed bedeutet das eine Menge kurioser Begegnungen und Entdeckungen. Seit der Flut hat sich einiges in der Stadt verändert und die Schicksale der Menschen sind sehr unterschiedlich. Bei alldem muss Reed versuchen, bei Verstand bleiben, denn einige Entdeckungen verstören den Detektiv. Neben der körperlichen Gesundheit müsst ihr auch Reeds geistige Zustand im Auge behalten.
Eine Stadt nah am Wasser gebaut
Grafisch ist The Sinking City sicher etwas altbacken, um nicht zu sagen, wenig hübsch. Rein technisch reißt das Erscheinungsbild von Oakmont sicher niemanden vom Hocker. Dafür kann das Spiel bei der Atmosphäre punkten. Die Stadt ist sehr stimmig gestaltet und die Soundkulisse ist ebenfalls passend. Alles ist schmuddelig und dreckig und das passt einfach in das Setting einer überfluteten Stadt.
Es gibt viele Details zu entdecken, auch wenn es abseits der Quests kaum Interaktionsmöglichkeiten gibt. Dafür motivieren gerade die Nebenquests umso mehr zum Erkunden. Ein Teil dieser Quests müsst ihr erstmal finden. Die Aufgaben bestehen meistens aus Sammelobjekten oder dem Aufsuchen verschiedener Orte. Beispielsweise findet Reed Briefe, in denen man erfährt, wie es den Menschen seit der Flut ergangen ist und wie die Stadt seitdem leidet.
Auch die einzelnen Bewohner, die auf der Straße umherwandern fügen sich in das Stadtbild ein. Eine Frau, die weinend vor einem Kinderwagen steht, in dem eine Puppe sitzt oder ein kurios kostümierter Typ unterstreichen die seltsame Stimmung in der Stadt. Leider sind die NPCs nicht sehr abwechslungsreich, sodass man vieles davon in kurzer Zeit mehrfach sieht.
Die Häuser und Gebäude der Stadt sehen sich ebenfalls größtenteils sehr ähnlich. Das gilt besonders für das Inneren der Häuser. Der Aufbau ist in den meisten gewöhnlichen Häusern nahezu identisch. Das ist einerseits sehr praktisch, da man sich im Kampf oder bei der Flucht nicht neu orientieren muss, andererseits ist es beim Erkunden auf Dauer eintönig. Allerdings besucht ihr mit Reed im Laufe der Geschichte auch einzigartige Orte, wie einen Friedhof oder eine Kirche. Insgesamt ist die Stadt als Kulisse für die Geschichte sehr gelungen.
Außerdem werdet ihr in Oakmont immer wieder auf Befallene Gebiete stoßen. Das sind abgesperrte Areale, die von den Bewohnern der Stadt gemieden werden. Hier trefft ihr auf besonders viele Monster. Zu Beginn, wenn ihr noch keine stärkeren Waffen freigeschaltet habt, ist in diesen Gebieten Vorsicht geboten. Dafür könnt ihr hier aber eine Menge Loot abgreifen und EXP sammeln. Einige Quests führen euch in diese Gebiete, abseits dessen sind die Areale weniger spannend.
Ein weiteres besonderes Element sind die Unterwasser-Level. Als ausgebildeter Taucher geht Reed der Sache gerne mal wortwörtlich auf den Grund. Leider wird hier etwas Potenzial verschenkt. In einem Spiel mit Cthulhu-Thematik und einem Setting, in welchem die Gefahr eindeutig aus dem Meer kommt, ist ein Tauchgang eine ziemlich unheimliche Vorstellung. The Sinking City schafft es leider nicht, diese beklemmende Situation richtig umzusetzen. Die späteren Tauchgänge sind eher nervig, da man sich auf feindliche Umwelt konzentrieren muss, anstatt sich wirklich gruseln zu können. Etwas unheimlich ist aber durchaus.
Anspruchsvolle Detektivarbeit
Charles Reed nimmt die Ermittlungen auf und dabei seid ihr gefordert. Denn die Bewohner Oakmonts sind gerne unter sich. Die Stadt besitzt eigene Bräuche und Eigenarten. Fremden gegenüber ist man in Oakmont generell misstrauisch und dementsprechend sind die meisten Leute wenig hilfsbereit. Kaum keiner möchte dem Neuankömmling ohne eine Gegenleistung helfen, sodass Reed sich Informationen und Gefallen erstmal verdienen muss. Bei den Untersuchungen erhaltet ihr außerdem kaum Hilfe vom Spiel, sofern ihr dies nicht wollt. The Sinking City macht am meisten Spaß, wenn ihr auf dem Schwierigkeitsgrad Detektiv oder Meisterdetektiv spielt. Hier gibt es wenig bis gar keine Hilfe. Es gilt dann selbst herauszufinden, welche Information diejenige ist, der es nachzugehen gilt.
Die Stadt ist groß und ohne konkrete Hinweise kommt ihr nicht wirklich voran. Es gibt zwar einen Kompass und eine Karte, die helfen euch aber nur bedingt, da ihr erstmal wissen müsst, wo ihr überhaupt hinwollt. Habt ihr eine Adresse oder Ortsbeschreibung erhalten, müsst ihr selbst auf der Karte die entsprechende Stelle markieren. Zusätzlich könnt auf der Karte nützliche Anmerkungen wie Blockierter Weg oder Gefahr! festhalten. Von A nach B gelangt ihr zu Fuß und übers Wasser. Da viele Straßen durch die Flut unter Wasser stehen, habt ihr ein kleines motorbetriebenes Boot zur Verfügung. Reed kann zwar schwimmen, allerdings ist das Wasser nicht ungefährlich. Schnellreisepunkte schaltet ihr durchs Entdecken eben dieser frei.
An Informationen kommt ihr durch das Suchen von Hinweisen, durch Recherche oder durch Unterhaltungen mit Personen. Interessante Gegenstände können näher untersucht oder fotografiert werden und Reed verfügt über spezielle Fähigkeiten mit denen ihr verborgene Hinweise oder Verstecke entdecken könnt. Die Archive, die es in den verschiedenen Institutionen der Stadt gibt, helfen euch ebenfalls. Ihr habt Informationen, wie Aussagen oder Schriftstücke, daraus müsst ihr dann herleiten, unter welchen Stichwörtern ihr im Archiv fündig werden könntet.
Habt ihr an einem Tatort genügend Informationen zusammen, kann Reed die vergangenen Geschehnisse visualisieren und so herausfinden, was passiert ist. Alle Hinweise und Dokumente sammelt Reed in seinen Notizen. In den Gedankenspielen könnt ihr außerdem Hinweise miteinander verknüpfen und Schlüsse ziehen. Manchmal gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie etwas interpretiert werden kann. Daraus resultierend gibt es verschiedene Handlungsoptionen für den Detektiv.
Ihr müsst dann entscheiden, zu welchem Schluss Reed kommt. Diese Entscheidungen sind richtig gut gemacht, denn sie sind fast nie wirklich leicht. In den Wirren der Geschehnisse gibt es meistens kein einfaches richtig oder falsch, gut oder böse. Ihr müsst abwägen, welche Option das kleinere Übel darstellt oder euch sinnvoller erscheint. Eure Entscheidungen bestimmen wie einzelne Fälle und Nebengeschichten für die Beteiligten ausgehen. Die drei möglichen Enden des Spiels werden davon aber nicht beeinflusst, diese stehen euch unabhängig von euren getroffenen Entscheidungen offen.
Erst schießen, dann fragen
Die Arbeit als Privatdetektiv in einer Stadt wie Oakmont ist alles andere als harmlos. Ihr werdet auf jede Menge feindlich gesinnte Individuen treffen. Reed ist allerdings nicht unvorbereitet und stets bewaffnet unterwegs. Ihr werdet mehrfach darauf hingewiesen, dass Munition, im Übrigen auch gängiges Zahlungsmittel in Oakmont, kostbar ist und es sich deshalb empfiehlt bei Gefahr die Flucht zu ergreifen. In einigen Situationen kann dieser Tipp hilfreich sein, besonders wenn ihr wenig Munition habt oder schlichtweg die Zahl der Gegner zu groß ist.
Lässt sich der Kampf nicht vermeiden, was ziemlich oft der Fall ist, kann Reed verschiedene Waffen und andere Hilfsmittel nutzen. Mit Vorankommen in der Geschichte erweitert sich das Arsenal, sodass ihr später beispielsweise auf eine Schrottflinte, Tellerfallen oder Handgranaten zurückgreifen könnt.
Leider ist der Kampf gleichzeitig eine der größten Schwächen des Spiels. Besonders der Nahkampf, mit dem man wertvolle Munition sparen könnte, ist schwammig und fühlt sich träge und ungenau an. Etwas weniger nervig ist das auf dem niedrigen Schwierigkeitsgrad, da ihr selbst dicke Gegner mit den richtigen Waffen recht leicht umpusten könnt, was die Kämpfe zwar immer noch lästig, aber schaffbar macht. Wie bei den Untersuchungen lässt sich der Schwierigkeitsgrad für die Kämpfe separat festlegen. Es ist also beispielsweise möglich die Kämpfe auf Leicht zu stellen, während man bei der Detektivarbeit einen höheren Schwierigkeitsgrad hat.
Einer der größten Störfaktoren ist zudem die allzu dämliche KI der Gegner und der NPCs. Bei den Gegnern kann man sich die kreative Wegfindung zumindest noch im Kampf zu Nutze machen und profitiert davon, wenn das Monster nicht durch den Türrahmen passt. Allerdings bricht das natürlich die Immersion und schmälert den Gruselfaktor (ist manchmal aber auch recht unterhaltsam).
Schwieriger wird es bei den NPCs. Die Bewohner der Stadt streunen zu Hauf in den Straßen rum und sind leider auch nicht besonders schlau dabei. Monster und Passanten ignorieren sich gegenseitig. Dafür rasten aber die Polizisten aus, wenn Reed in einen Kampf verwickelt ist und eröffnen das Feuer auf ihn. Solltet ihr also im Verlauf einer Auseinandersetzung auf die Straße fliehen, müsst ihr damit rechnen, dass die pflichtbewussten Gesetzeshüter auf euch schießen. In Notwehr sich gegen die hinzugekommenen Angreifer verteidigen ist leider auch keine gute Idee, da Reed sofort geistige Gesundheit einbüßt, wenn er einen der vermeintlich harmlosen NPCs tötet.
In den meisten Situationen könnt ihr die Kämpfe im Inneren der Häuser ausfechten. Die Räumlichkeiten sind alle sehr großräumig und im Normalfall haben die Räume und Stockwerke immer zwei Ausgänge, sodass man selten in Bedrängnis gerät und eingekesselt wird. Selbst wenn es mal etwas hitziger wird, kann man die Monster gut ausmanövrieren.
Wissenspunkte sind Macht
Die Kämpfe und die Ermittlungsarbeit sind natürlich nicht für Katz. Ihr schreitet nicht nur in der Story voran, sondern erhaltet auch Erfahrungspunkte und Loot. Ihr könnt eine ganze Reihe an hilfreichen Fähigkeiten freischalten. Unterteilt sind die Skills in Kampf, Körper und Geist. Habt ihr genügend Erfahrung gesammelt, beispielsweise durchs Erledigen von Monstern, gibt es einen Wissenspunkte. Mit Wissenspunkten schaltet ihr dann neue Skills für den Privatdetektiv frei. Ihr könnt beispielsweise Reeds Lebens- und Geisteskraft erhöhen, sodass er mehr aushält, den Umgang mit Waffen verbessern oder effizienter Craften. Anfangs solltet ihr genau überlegen, welche Skills ihr benötigt. Im späteren Spiel habt ihr dann eigentlich mehr als genügend Wissenspunkte und könnt quasi alle Fähigkeiten freischalten.
Das Crafting-System ist recht simpel. Neben Munition und anderen Gegenständen, könnt ihr auch verschiedene Komponenten zur Herstellung finden. Je nach Schwierigkeitsgrad müsst ihr besonders anfangs eure Ressourcen managen, da die Munition doch schnell mal knapp wird. Später habt ihr mehr Waffen und dementsprechend mehr Munition dabei, sodass ihr nicht mehr allzu sehr haushalten müsst.
Fazit
The Sinking City ist nicht perfekt. Das Spiel hat viele Schwächen, aber das ist nicht schlimm, denn das Spiel hat auch seine Stärken, die es zu einem guten Titel machen. Es ist interessant und es ist mal etwas Neues. Die Ermittlungsarbeit macht Spaß. Es ist fantastisch, ein Spiel mit Open World-Charakter zu haben, das einem zur Abwechslung mal nicht alles haarklein vorkaut. Anstatt einer überladenen Map voller Symbole, die sich ungefragt vermehren, muss man selbst rausfinden, wo das nächste Ziel ist. Das ist nicht übertrieben schwer oder anspruchsvoll, aber es macht Spaß. Zudem bringt das Spiel die dafür passenden Mechaniken mit, wie die Stadtkarte oder die Archive. Die Informationen, die man erhält, muss man sorgfältiger nutzen, sodass es sich auch mal wirklich so anfühlt als habe man etwas rausgefunden.
Oakmont ist als Schauplatz sehr gelungen und beheimatet interessante Charaktere. Neben der Hauptstory gibt es zusätzliche spannende Nebenquest. Durch die Möglichkeit den Schwierigkeitsgrad für Kämpfe und Untersuchungen separat einzustellen, kann man sich das Spielerlebnis anpassen.
Fans von Call of Cthulhu oder den Sherlock Holmes-Spielen von Frogwares sollten auf jeden Fall in The Sinking City reinschauen. Ansonsten ist The Sinking City generell für jeden empfehlenswert, der sich für das Setting begeistern kann und Lust auf ein Open World-Adventure mit Action, Erkunden und Detektivarbeit hat.
The Sinking City ist für PC exklusiv im Epic Store, Playstation 4, Xbox One und Nintendo Switch erhältlich. Im nächsten Jahr soll The Sinking City außerdem auf Steam erscheinen.
Pro
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Contra
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+ Spannende Story und einzelne Geschichten + Mischung aus Krimi, Mystery und Horror + Entscheidungen + drei mögliche Enden |
– roter Faden fehlt hin und wieder ein wenig |
+ Detektivarbeit + Map zum Selbstverwalten + Nebenquests |
– Kämpfe sind nervig |
+ Schwierigkeit für Untersuchungen und Kämpfe separat anpassbar | |
+ Controller-Support für PC + Tastenbelegung kann angepasst werden |
– Menüführung mit der Tastatur etwas umständlich – Kämpfe fühlen sich träge an |
+ passende Atmosphäre und Soundkulisse + komplette deutsche Sprachausgabe |
– Grafik und Animationen veraltet |