China möchte offensichtlich einen weiteren großen Schritt in Richtung eines absoluten Überwachungsstaates machen. So hat die Regierung der Volksrepublik offenbar vor, in Zukunft soziale Netzwerke noch umfangreicher zu kontrollieren. Ziel sei es unter anderem, dass künftig jeder einzelne Kommentar kontrolliert werden soll, bevor er veröffentlicht werden darf.
Schlag gegen Meinungsfreiheit
In dem Roman „1984“ von George Orwell hat der sogenannte Große Bruder alles und jeden im Blick. Was damals als Dystopie eines Überwachungsstaates Wellen schlug, scheint leider immer mehr zum Vorbild Chinas zu werden. Das Reich der Mitte hat nun nämlich einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der einen erschaudern lässt. Genauer gesagt legte die Behörde „Cyberspace Administration of China“ (CAC) am 17. Juni einen neuen Regelkatalog vor. Dieser möchte unter anderem Betreiber von sozialen Netzwerker stärker in die Pflicht nehmen. Wenn man die neuen Regelungen überfliegt, ist es vor allem ein Punkt, der bei vielen für Entsetzen sorgt. So sollen die sozialen Netzwerke in Zukunft dazu verpflichtet werden, jeden einzelnen Kommentar zu prüfen, bevor es zur Veröffentlichung kommt. Dies könnte ein weiterer Tiefschlag für die ohnehin quasi nicht vorhandene Meinungsfreiheit in China sein.
Update eines bereits vorhandenen Gesetzes
Wirklich neu ist das Regelpaket nicht, welches von der Internetbehörde nun vorgestellt wurde. Vielmehr trat es bereits im Jahr 2017 in Kraft. Nun scheint man jedoch die Möglichkeit zu nutzen, es zu überarbeiten. Im Rahmen des Updates treten vor allem Kommentarfunktionen auf öffentlichen Blogs, Foren oder eben sozialen Netzwerken in den Fokus. Die Behörde geht sogar so weit, dass selbst Echtzeit-Kommentare, wie sie bei Livestreams möglich sind, unter die neue Kontrollregelung fallen sollen. Experten mutmaßen, dass die neue Regelung nicht von ungefähr kommt, sondern vielmehr Angst der Regierung dahintersteckt. So kam es in jüngster Vergangenheit immer häufiger zu regierungskritischen Aussagen im Internet. Insbesondere auf Weibo, einem chinesischen Microblogging-Anbieter, fanden sich Gleichgesinnte. Die Vorgänge auf der Plattform, welche an Twitter erinnert, ging natürlich auch an der Internetbehörde nicht vorbei, weshalb sie nun offenbar die Reißleine gezogen hat.
TikTok geht mit gutem Beispiel voran
Besonders schwer dürften die neuen Regelungen für kleine Blogs sein, die weder die personellen, noch die technischen Kapazitäten haben, um eine umfassende Kontrolle durchführen zu können. Zieht man zum Vergleich das wohl derzeit erfolgreichste und bekannteste chinesische soziale Netzwerk TikTok heran, wird klar, wie groß der Druck ist, der auf kleinen Portalen und deren Nutzern lastet. In Sachen Zensur ist TikTok nämlich seit geraumer Zeit ganz vorne mit dabei. So ist es nicht selten der Fall, dass viele Kommentare ihren Weg gar nicht erst auf öffentlich einsehbare Kommentarspalten schaffen. Vorher werden sie gezielt herausgepickt und gelöscht.
Dieses Vorgehen lässt sich übrigens nicht nur in China, sondern auch hierzulande beobachten. So ist erst vor kurzem bekannt geworden, dass TikTok auch in Deutschland Wortfilter einsetzt, um automatisch Kommentare zu löschen. Um diese Mammutaufgabe stemmen zu können, arbeiten bei dem sozialen Netzwerk des Mutterkonzerns ByteDance mehrere Tausend Personen, die allein mit der Überprüfung von Inhalten beschäftigt sind. Dies geschieht nicht allein aus innerem Antrieb. Den Unternehmen drohen vielmehr horrende Strafen, wenn einmal ein Kommentar mit verbotenem Inhalt an die Öffentlichkeit gelangt.
Kontrolle droht ins Uferlose auszuarten
Natürlich ist es nicht neu, dass man der Regierung Chinas Zensurvorwürfe macht. Allerdings waren diese bislang zumindest auf bestimmte Bereiche beschränkt. Mit den Neuregelungen droht eine Ausweitung auf jeden noch so kleinen Winkel des Internets. Damit sterben auch die letzten kleinen Schlupflöcher, die Andersdenkende in dem Reich der Mitte hatten, um sich miteinander auszutauschen. Sollte die Regierung seine Pläne also wirklich durchsetzen, könnte dies der finale Dolchstoß für Meinungsfreiheit in China sein. Doch nicht nur die Nutzer müssen sich Sorgen machen. Auch die Betreiber von sozialen Netzwerken, die im Gegensatz zu TikTok keine gigantische Zensurabteilung besitzen, müssen über kurz oder lang eine solche einrichten. Inwiefern dies finanziell überhaupt möglich ist, dürfte vor allem für kleinere Blogs eine heikle Frage darstellen. Besonders fatal ist, dass man sich im Bezug auf die Neuregelung derzeit in einer Art Schwebezustand befindet.
Jeder weiß, dass die Internetbehörde die strengeren Regeln durchsetzen möchte. Die große Frage ist nur, wann das geschehen soll. Schlimmstenfalls könnte es zu einer sofortigen Durchsetzung kommen, was vielen Betreibern den Boden unter den Füßen wegziehen könnte. Experten zufolge muss nun nicht jedes soziale Netzwerk um seinen Bestand bangen. Vielmehr sei es Absicht der Politik, dass die Betreiber mehr Obacht walten lassen, wenn es um zensurwürdige Kommentare geht. Hier scheint sich derzeit in der chinesischen Internetcommunity ganz offensichtlich ein spürbarer Widerstand zu regen. Waren es vor einigen Jahren noch die Inhalte per se, die zum Gegenstand der Zensurkontrolle wurden, spielen nun zunehmend die Kommtare eine wichtige Rolle. Schließlich lässt sich an ihnen der Querschnitt der gesellschaftlichen Meinung ablesen. Wirklich jedes Kommentar einer gezwungen Kontrolle zu unterziehen, sei aber derzeit unrealistisch.
Sorge um Meinungsfreiheit
Wenn die neuen Regelungen in Kraft treten, sind die Befürchtungen zu Recht groß, dass die ohnehin umfassende Zensurpolitik Chinas zu einer noch stärkeren Einschränkung der Meinungsfreiheit des Landes führt. Besonders perfide ist das Vorhaben, womöglich auch Ersteller von Inhalten in die Pflicht zu nehmen. So soll beispielsweise auch Personen, die etwas auf Weibo posten, eine Zensurpflicht für regierungskritische Kommentare treffen. Nicht nur die Meinungsfreiheit gilt in China seit geraumer Zeit als unterdrückt. Auch Gamer müssen mit einem Verbot ihres Hobbys leben.