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LG Frankfurt: Grünenpolitikerin Künast gewinnt Verfahren gegen Facebook

Facebook wird noch mehr in die Pflicht genommen, die Inhalte seiner User im Auge zu behalten. So hat ein Gericht nun geurteilt, dass das soziale Netzwerk Beiträge mit falschen Zitaten mit aller Kraft bekämpfen und dabei Kopien ohne erneuten Löschhinweis selbstständig löschen muss. Auf der Klägerseite saß dabei eine prominente Politikerin, die selbst wohl am besten weiß, wie es sich anfühlt, im Netz beleidigt und bedroht zu werden.

Gerichtsurteil sieht Facebook in der Pflicht

Hinter der Anonymität des Internets verstecken sich seit geraumer Zeit viele Menschen, um ihrem Hass ganz offen und vermeintlich auch geschützt Ausdruck zu verleihen. Mit der Coronapandemie hat sich dies noch einmal deutlich verstärkt. Einige User sozialer Netzwerker griffen Journalisten, Politiker und Wissenschaftler ganz offen und unverhohlen an. Dabei waren Beleidigungen noch das Mindeste. Vielen wurde obendrein auch Gewalt oder gar der Tod angedroht. Die entsprechenden Beiträge sind dabei durchaus facettenreich. Neben bloßen Textbeiträgen werden immer häufiger auch Memes genutzt, die nicht selten mit Falschzitaten versehen sind. Während bloße „hatespeech“ in Textform bereits seit längerem offen von Facebook bekämpft wird, wurden entsprechende Memes bislang eher missachtet. Nun könnte ein Gerichtsurteil dafür sorgen, dass Facebook selbst Kopien dieser von seiner Plattformen entfernen muss.

Geklagt hatte die bekannte Grünenpolitikerin und Rechtsanwältin Renate Künast. Sie selbst ist schon diverse Male Opfer von Verunglimpfungen, Beleidigungen und Gewaltandrohungen im Netz geworden. Außerdem wurde die ehemalige Bundesministerin in einem Meme mit Falschzitaten belastet. Nachdem sie Facebook um Löschung bat, tauchten schnell Kopien mit dem selben Inhalt auf. Damit das ihr und anderen Personen fortan nicht mehr droht, hat sie am Landgericht Frankfurt Unterlassungsklage eingereicht – mit Erfolg. So ist das soziale Netzwerk laut Gericht nicht nur dazu verpflichtet, entsprechende Beiträge nach Hinweis bei erstmaligem Auftauchen von der Seite zu entfernen. Sollte das Meme erneut hochgeladen werden, muss Facebook auch ohne Hinweis tätig werden. Wenn dieses Urteil nun rechtskräftig werden sollte, nimmt es soziale Netzwerke noch deutlicher in die Pflicht.

Erneuter Erfolg von Renate Künast

Klagegegenstand war ein Bild von Künast, auf dem Sie selbst mit einem falschen Zitat zu sehen war. So versah der Bearbeiter das Bild der Politikerin mit den Worten:

„Integration fängt damit an, dass Sie als Deutscher mal türkisch lernen!“

Dabei konnte sich die Grünenpolitikerin erneut vor Gericht gegen Hass im Netz durchsetzen. Bereits in vorangegangenen Gerichtsurteilen sorgte Künast dafür, dass insbesondere Inhalte, die nach dem Löschen erneut ihren Weg auf Facebook finden, von dem sozialen Netzwerk gelöscht werden müssen. Dabei bekam sie auch Unterstützung von Vereinen, die sich gegen Hatespeech stark machen.

Generelle Wirkung des Urteils ist ein Novum

Natürlich ist das Unterlassungsurteil nicht das erste, welches ein deutsches Gericht gegen das soziale Netzwerk gefällt hat. Allerdings hat das Urteil eine gewaltige Wirkung, die man auf den ersten Blick vielleicht nicht nachvollziehen mag. Schließlich bezieht es sich nicht nur auf das eine Meme, welches Künast verunglimpft. Das Gericht nimmt Facebook vielmehr für alle kommenden Bilder mit Falschzitaten in die Pflicht, die erneut ihren Weg auf die Plattform finden. Dies sorgt dafür, dass Opfer einer solchen Attacke in Zukunft sicher sein können, dass keine weiteren Postings dieser Art in dem sozialen Netzwerk kursieren. Bislang war es nämlich so, dass Betroffene sich selbst auf die Suche nach Kopien bereits gelöschter Posts machen mussten. Diese Aufgabe ist nun höchstwahrscheinlich Facebooks Pflicht.

Hinweise zu Wiederholungs-Posts nicht mehr notwendig

Während von dem allgemein gültigen Unterlassungsurteil jeder Nutzer von Facebook profitiert, hat auch Künast selbst einen monetären Ausgleich aus der Verhandlung ziehen können. So sprach ihr das Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000 Euro zu. Doch wie genau sieht die Pflicht von Facebook aus? Um dies nachvollziehen zu können, lohnt sich ein Blick ins Urteil des LG Frankfurt. Das Gericht ließ durch seine Presseabteilung folgendes verlauten:

„Auch Varianten dieses Memes mit kerngleichem Inhalt muss das soziale Netzwerk ohne erneuten Hinweis auf die jeweilige URL löschen“

Dabei machte das Gericht deutlich, dass Facebook nun nicht alle Memes auf korrekte Zitate überprüfen müsse. Sollte jedoch einmal ein Hinweis über ein Falschzitat eingegangen sein, müsse dies nicht für jede weitere Kopie des Posts getan werden. Hierzu erklärte der vorsitzende Richter:

„Nachdem Renate Künast aber konkret darauf hingewiesen hatte, dass die ihr zugeschriebene Äußerung ein falsches Zitat ist, muss sie diesen Hinweis nicht für jeden weiteren Rechtsverstoß unter Angabe der URL wiederholen“

Löschpflicht wird weit gefasst

Sollte sich das Urteil als rechtskräftig erweisen, könnte es eine wegweisende Rolle einnehmen. Schließlich wurde Facebook selten derart stark in die Pflicht genommen. Das Gericht sieht das soziale Netzwerk nämlich nicht nur zum Löschen exakter Kopien verpflichtet. Auch Abwandlungen, die nach wie vor den Kerninhalt in sich tragen, müsse man löschen. Das Gericht spricht dabei beispielsweise von Versionen

„mit verändertem Layout oder durch Erweiterung oder Weglassen von Textinhalten, durch Tippfehler oder durch Veränderung für das Auge nicht wahrnehmbarer Pixel“

Meta selbst sieht die Löschpflicht als ein zu weit reichendes Urteil. Schließlich sei der Aufwand dafür extrem hoch. Doch das Gericht ließ sich von diesem Argument offenbar nicht überzeugen. Schließlich konnte Meta als Mutterkonzern von Facebook nicht beweisen, dass sie Derartiges überfordern würde. Dazu lässt sich im Urteil lesen:

„Die Beklagte hat nicht dargetan, dass es ihr technisch und wirtschaftlich nicht zumutbar ist, ohne konkrete Bezeichnung der URL identische und ähnliche Memes zu erkennen und zwar auch, wenn für die Beurteilung eines abgewandelten Textes in einem Eintrag eine menschliche Moderationsentscheidung notwendig wird“,

Künast lehnte außergerichtliche Lösung ab

Dass es Renate Künast keineswegs um das Schmerzensgeld gegangen ist, wird allein an der Tatsache deutlich, dass Facebook eigenen Angaben zufolge im Vorhinein auf sie zugegangen ist. Hierbei kann man durchaus mutmaßen, dass der Politikerin seitens des gigantischen Tech-Konzerns ein weit höheres Schmerzensgeld angeboten wurde. Doch als Rechtsanwältin war Künast sich darüber im Klaren, dass in ihrer Klage gleichsam auch die Chance eines Urteils steckt, von dem alle Facebook-Nutzer profitieren könnten. Dementsprechend sah sie von ihrer Klage nicht ab. Entsprechend freudig verließ sie dann auch den Gerichtssaal, nachdem die Richter das Urteil verlasen. Sie selbst sieht darin nämlich einen

„Meilenstein für unsere Demokratie“

Meta zeigte sich im Anschluss an das Urteil indes lammfromm. Eine Sprecherin des Konzerns sagte:

 „Wir haben das von Frau Künast gemeldete Falschzitat von der Facebook-Plattform entfernt und haben in diesem Fall weitere Maßnahmen ergriffen, um außerdem identische Inhalte zu identifizieren und zu entfernen“

Berufungsverfahren scheint sicher

Auch, wenn das Urteil insbesondere Kämpfer gegen das immer größer werdende Problem vom Hass im Netz erfreuen dürfte, sollten die Jubelschreie noch nicht zu laut sein. Angesichts der großen Strahlkraft scheint es nämlich fast schon sicher, dass Meta das Urteil nicht ohne weiteres hinnehmen wird. Der Konzern selbst sagt, dass man zunächst einmal

„weitere mögliche Schritte prüfen“

möchte. Theoretisch steht dem Unternehmen das Recht zu, ein Berufungsgericht anzurufen, um das Urteil noch einmal in seiner Richtigkeit überprüfen zu lassen. Sollte sich die Prüfpflicht als rechtens erweisen, wäre dies ein echter Gamechanger für alle sozialen Netzwerke und ein echter Gewinn im Kampf gegen immer mehr Hass im Internet.

Jens Scharfenberg

Gaming und Technik waren stets meine Leidenschaft. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Als passionierter "Konsolero" und kleiner "Technik-Geek" begleiten mich diese Themen tagtäglich.

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