Es ist noch gar nicht lange her, als Recaro den Markt für Gaming-Chairs betrat. Dabei existiert das deutsche Unternehmen schon mehr als 100 Jahre, ist aber eigentlich für den Bau von Flugzeugsitzen und als Experte für Premium-Autositze bekannt. Da diese auch stundenlang bequem und für viele verschiedene Rücken geeignet sein müssen, erübrigt sich eine ausführliche Erklärung, warum denn nun plötzlich Zockerstühle.
2018 stellte Recaro eGaming seinen ersten Stuhl auf der Gamescom 2018 vor. Die Ausrichtung des Unternehmensablegers war klar: hochwertige Premium-Gamingsitze für den E-Sport, aber auch für Zuhause. 2019 folgte der Marktstart mit dem Exo Platinum und 2020 hat der Recardo Exo FX sein Debüt gefeiert. Für stolze 899,00 Euro siedelt sich auch der Preis im Premiumbereich an; übertrifft damit auch die Preise der Platzhirsche Backforce, Noblechairs und SecretLab.
Wir sind gespannt, was ein Gaming-Chair für so viel Geld kann, ob er sich in Relation gesehen von den anderen Hersteller positiv wirklich absetzen kann und ob er eben nicht nur gut aussieht. Um das herauszubekommen, haben wir den Recaro Gaming Exo FX in der Farbe Sunset Orange auf Herz und Nieren getestet.
Technische Daten
Material Stoffbezug | 100 % Polyester |
Material Gestell | Aluminium |
Material Armlehnen | Polyurethan |
Rollenart | Universal-Rollen aus Kunststoff |
Gewicht | 26,2 kg |
Gesamthöhe | 1,356 – 1,453 mm |
Abmessung Sitzfläche | 405 x 450 mm |
Sitzhöhe | 490 – 590 mm |
Armlehnen-Rotation | 5D |
Belastbarkeit | 150 kg |
Farben | Pure Black, Sunset Orange, Lime Green, Iron Grey, Racing Blue |
Preis | € 68,60 * |
Auspacken und Aufbau sind kinderleicht
Wer jetzt denkt, der Karton ist wie jeder andere und der Stuhl ist wie jeder andere verpackt, ist komplett schief gewickelt. Der Recaro Exo FX kommt in einem circa 130 cm hohen Karton an, mit der passenden Aufschrift „First of its kind“. Übersetzt bedeutet das so viel wie „Der Erste seiner Art“, was am Ende durchaus zutreffen könnte – aber warten wir den Test ab und widmen uns erst einmal noch dem Unboxing.
Dieses setzt sich mit dem Öffnen an der Seite fort. Uns erwarteten ein wenig Papierkram und eine weitere Kartoneinlage. Diese beinhaltet unter anderem das Stuhlkreuz, das wir einfach herausziehen können. Danach steht der Stuhl schon fast fertig vor uns. Während man bei vielen anderen Gaming-Chairs noch Lehne und Sitzfläche zusammenbasteln muss, entfällt das beim Exo FX. Es sind lediglich noch das Fußkreuz, die Gasdruckfeder, die Rollen und die Armlehnen anzubringen.
Allein oder zu zweit ist das eine Sache von circa 15 Minuten. Die ausführliche Anleitung mit selbsterklärenden Bildern erklärt alle notwendigen Schritte. Für den Preis ist es unserer Meinung nach zu erwarten, dass man beim Aufbau nicht mehr viel machen muss und der Versand inbegriffen ist. Bisher liefert Recaro aber ausschließlich in Deutschland und nach Österreich.
Groß, aber nicht klobig
Schon das Design des Recaro Exo FX unterscheidet sich von dem anderer bekannter Gaming-Stühle. Zwar sieht man auf den ersten Blick die obligatorischen Löcher in der Lehne und dass diese besonders hoch ist, aber vom Design her ist der Exo FX eben doch eine andere Nummer. Recaro setzt dabei auf intern bewährtes Aussehen, das durch die jahrzehntelange Arbeit im Sportsitzebereich inspiriert ist. Demnach unterscheidet sich der Gaming-Stuhl insofern in einem weiteren Punkten von Noblechairs und Co., dass er ein sportliches Design trägt und Noblechairs Hero oder Backforce One mehr auf die edle Schiene gehen. Wenn überhaupt ähnelt der Exo FX einem DXRacer.
Am Ende ist das immer der Geschmack des Nutzers, aber wir finden es gut, dass mal ein neuer Look auf den Gaming-Chair-Markt kommt und die Diversität gesteigert wird.
Sobald wir das erste Mal im Recaro Exo FX Platz genommen hatten, war es sofort ein ganz besonderes Gefühl. Der Stuhl schmiegt sich regelrecht an die Wirbelsäule, man bekommt sofort eine Zuversicht stundenlang in dem Stuhl zocken zu können und man ist komplett abgeschottet, sodass der Fokus auch auf dem Game liegen kann. Jetzt sind wir gespannt, was der Exo FX alles an Features auf Lager hat.
Bei Recaro werden nur die hochwertigsten Materialien verwendet
Zunächst gehen wir aber natürlich noch kurz auf die Materialien ein; 899,00 Euro sollten schließlich nicht nur die Funktionen bezahlen.
Der Exo FX von Recaro ist komplett mit atmungsaktivem Stoff überzogen, welches höchsten Qualitätsansprüchen entspricht. Das deutsche Unternehmen hat sich dabei einfach im eigenen Stofflager bedient, das seit so vielen Jahren bereits ihre Rennsitze herhält. Außerdem kann der Stoff noch etwas: Er hat Grip! Ganz gleich wie lange man darauf sitzt oder was man anhat, man verrutscht nicht einen Zentimeter, wenn man es nicht will. Zusätzlich sorgen dafür auch die Anti-Submarining-Hügel. Diese entstammen ebenfalls dem Autositzebaus und verhindern normalerweise das Wegrutschen unter dem Beckengurt bei einem Aufprall. Entsprechend der Schalenform könnten sich einige an den Seitenwangen stören.
Die Stoffauswahl sorgt auch nach sehr vielen Stunden des Spielens dafür, dass man nicht ein bisschen schwitzt. Zudem erlässt der Exo FX einem das Bedürfnis aufstehen zu müssen, weil das Sitzen anstrengend wird. Ein Mehrwehrt, den nur sehr wenige Gaming-Stühle mitbringen. Applaus schon mal an dieser Stelle!
Auch beim Schaumstoff für die Polsterung greift Recardo auf seine Erfahrung zurück. Wer weiß wie Menschen stundenlang im Auto oder im Flugzeug bequem sitzen können, weiß auch wie das auf einem Gaming-Chair geht. Und tatsächlich: der Exo FX sorgt mit der speziellen Schaumkontur unter dem Hosenboden für ein langanhaltendes Komfortgefühl.
Wirklich jede Schraube, jede Komponenten, jedes Textil ist beim Recaro Exo FX von herausragender Qualität, welche dem Stuhl eine ausgesprochen lange Lebensdauer verspricht. Dabei unterstützt außerdem eine optimale Verarbeitung „Made in Germany“.
Armlehnenträger und das Fußkreuz sind zudem aus leichtem, aber sehr robustem Aluminium. Ein Grund dafür, dass der Stuhl insgesamt nur 26 Kilogramm wiegt.
Als würde man in einem Rennauto sitzen – nur ohne Gurte
Das hier wäre keine gute Review, wenn wir nicht separat auf die imposante Rückenlehne eingehen würden. Wir haben schon erläutert, womit sie bezogen ist, aber noch nicht was dahintersteckt. Recaro hat dem Exo FX einen richtigen Schalensitz verpasst, wie man es nur aus Rennautos kennt.
Die Lehne wird dabei von hinten durch hochwertigen und starken Kunststoff stabilisiert. Für eine optimale Ergonomie bringt die Lordosenstütze den Rest mit; allerdings ist diese fest und somit nicht individuell anpassbar. Sehr vermisst hat man diese Flexibilität beim Exo FX nicht, da er fast jeder Körpergröße ein großartiges Sitzfeeling bietet.
Schwing das Ding
Der Recaro Gaming-Chair bringt einige sinnvolle Funktionen mit. Am meisten hat uns aber die reibungslos funktionierende Schwingfunktion begeistert. Wie geschmiert kann diese mit einem Handgriff auf der linken aktiviert werden und lässt uns wie in einer Wiege liegend vor- und zurückschwingen. Auf der rechten Seiten kann der Widerstand der Wippe eingestellt werden, sodass sie sich sowohl für leichte als auch leichte Personen eignet. So kann man aktives Gaming zelebrieren oder sich nach hinten gleiten lassen, um sich den Streamer seines Vertrauens anzuschauen.
Der Hebel für die Schwingfunktion befindet sich linksseitig unter dem Sitz. Zieht man ihn hoch, wird der Stuhl auf eine der vier „vorprogrammierten“ Sitzpositionen festgehalten. Eine freie Einstellung wie bei anderen Stühlen ist also genauso wenig vorhanden wie eine Synchronmechanik.
Vier verschiedene Sitzpositionen sind „vorprogrammiert“
Diese wurden laut Recaro während der Entwicklung durch Tests auserkoren. Dabei wurden Gamer und E-Sportler befragt, welche auch auf den Prototypen zeigten, welche Positionen sie am meisten einnehmen.
Herauskamen folgende vier Grundpositionen, die eingestellt werden können:
Attack-Position: Hier geht es um die typische Haltung, die man als Gamer einnimmt, wenn man höchste Konzentration und Achtsamkeit an den Tag legen möchten – meist für Spieler im kompletiven Bereich „überlebenswichtig“. Der Stuhl neigt sich nach vorne, sodass man dennoch durch die Lehne gestützt wird.
Core Focus-Position: Diese Einstellung ist relevant, wenn es nicht auf Sekunden ankommt, aber Konzentration ein wichtiger Begleiter darstellt. Hierbei handelt es sich um die optimale Sitzhaltung, die auch im Home Office angebracht ist.
Core Relax-Position: Nun wird es schon etwas entspannter. Man ist leicht zurückgelehnt, nimmt eine relaxte Haltung an, hat aber noch immer den Fokus auf das Geschehen am Monitor. Dies ist die längste einnehmbare Sitzposition.
Recharge-Position: Gezockt wird in dieser Positionen nicht mehr wirklich. Gemütlich nach hinten gelehnt und den Stuhl in die hinterste Schwingposition gesetzt, bietet sie sich für das Gucken von Filmen, YouTube und Twitch an.
Um 360° drehen
Während der Recaro Exo, also das Basismodell, lediglich 4D-Armlehnen hat, dürfen sich Besitzer eines Exo FX oder Exo Platinums über eine Dimension mehr freuen. Demnach können die Armlehnen vollständig um 360° gedreht werden. Aber das ist natürlich noch nicht alles.
Zunächst können die Armlehnenständer unter dem Sitz weiter von der Sitzfläche geschoben oder weiter an diese herangezogen werden. Also ganz gleich wie breit das Kreuz ist, die Arme treffen auf jeden Fall die Armlehnen. Hierzu muss jedoch jedes Mal die Schraube unterhalb der Sitzfläche gelöst werden.
Natürlich können diese auch hoch und runter manövriert und die Auflagen vor- und zurückgeschoben werden. Wer sich an den Armlehnen stört, kann diese mit einem Knopfdruck auch nach hinten wegdrehen. Ganz wegklappen ist jedoch nicht möglich.
Auch die Armlehnen, welche komfortabel mit weichem Gummi gepolstert sind, ist Recaro bestens gelungen. Bis auf das fehlende Wegklappen sind uns noch keine wertigeren und flexibleren Armlehnen untergekommen.
Was der Exo FX sonst noch kann
Nun haben wir die wesentlichen Funktionen ausgiebig getestet und sind rundum zufriedengestellt. Recaro hat aber auch an Details gedacht, so können die Rückenlehne nach hinten und vorne angepasst, die Federkraft eingestellt sowie die Schwingfunktion auf das Körpergewicht optimiert werden. Selbstverständlich kann der Gaming-Stuhl mittels Gasdruckfeder auch in der Höhe verstellt werden.
Erwähnenswert bei der Rückenlehne ist noch, dass diese nicht mit einem Federmechanismus eingestellt wird, sondern über ein Drehrad, das sich auf beiden Seiten des Stuhls befindet.
Die Rollen des Stuhls sind sowohl für Hartboden als auch flachen Teppich geeignet und sind sehr leichtgängig.
Im Großen und Ganzen bietet der Recaro Exo FX ausnahmslos alle Funktionen, die ein Gaming-Stuhl benötigt, um lange und bequem darin zu sitzen.
Fazit
Ja, er ist der erste seiner Art. Ja, der Preis ist gerechtfertigt, obwohl er die der Wettbewerber übersteigt. Wenn man aber bedenkt, was man hinblättern darf, wenn man abseits des Gamings einen Ergonomiestuhl erwerben möchte, ist der Preis nicht mehr so verwunderlich. Die Verarbeitung, die Materialien und die reibungslos agierenden Funktionen rechtfertigen die 899,00 Euro. Obendrein hat der Exo FX ein wirklich gutes Design, der zurecht mit dem German Design Award 2020 ausgezeichnet wurde.
Ob man für einen Gaming-Stuhl so viel ausgibt, sei jedem selbst überlassen. Für E-Sportler, die teilweise 10 bis 15 Stunden täglich darin trainieren, ein absolut akzeptabler Preis. Für Hobbygamer, die nach der Arbeit ein paar Runden zocken, ist die Summe vielleicht zu viel des Guten – außer der gehaltscheckt sagt „take my money“.
Unserer Meinung nach ist Recardo der Exo FX wirklich herausragend gut gelungen und wird auf dem Gaming-Stuhl-Markt nachhaltig eine Revolution verursachen. Die Frage ist, in welche Richtung der Wettbewerb geht: kommen in Zukunft noch weitere hochwertige Sitze für viel Geld oder bildet Recaro eine eigene Preisklasse?
Obwohl Recaro einen wirklich hochwertigen Stuhl kreiert hat, haben wir doch ein wenig Kritik. Die Lordosenstütze ist nicht einstellbar, es gibt keine Synchronmechanik und die Armlehnen sind nicht komplett wegklappbar. Außerdem muss man eine Kopfstütze extra bezahlen, Kissen werden nicht mitgeliefert. Hier hätte Recaro also noch ein wenig was draufsetzen können. Schließlich bietet Backforce diese Funktionen schon bei einem fast halb so teuren Gaming-Stuhl an.
Recaro Gaming Exo FX
Design und Verarbeitung
Ausstattung
Sitzkomfort
Preis-Leistungs-Verhältnis
91/100
Der Exo FX ist das mittlere Modell des deutschen Herstellers Recaro und spielt in der obersten Preisklasse mit. Für 899,00 Euro bekommt man aber auch das Rundumpaket, das Gamer und E-Sportler brauchen. Den gesamten Test über hat uns der Stuhl mehr als begeistert, auch wenn wir noch Verbesserungspotenzial sehen.