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EU: Digital Services Act tritt in Kraft

Nach dem EU-Parlament haben nun auch die Mitgliedsstaaten dem Digital Services Act zugestimmt, der Online-Plattformen weitreichende Überwachungspflichten auflädt. Damit soll Hassrede, Terrorpropaganda und Co schneller und stärker begegnet werden können. Die Positionen bezüglich des Digital Services Acts gehen weit auseinander.

Bahnbrechende Verordnung?

Mit dem Digital Services Act erhält die EU weitreichende neue Rechte gegenüber großen Online-Plattformen. So sind diese etwa verpflichtet, weitreichende Informationen zu ihren Algorithmen offenzulegen, externen Prüfinstanz zwecks Risikobewertung weitreichende Einblicke zu gewähren und der EU bei einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit einen weitreichenden Zugriff auf ihre Plattform zu gewähren. Zusätzlich erhält die EU die Möglichkeit, bei Verstößen bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes als Strafzahlung zu kassieren.

Hinzu kommen zahlreiche Pflichten, die einerseits Nutzendenrechte stärken, andererseits die Verbreitung von Hassrede und Terrorpropaganda verhindern sollen. So müssen Plattformen künftig offenlegen, aus welchen Gründen sie Nutzenden bestimmte Werbungen anzeigen oder bestimmte Inhalte empfehlen. Personalisierte Werbung darf ferner nicht mehr aufgrund von Daten zu sensiblen Persönlichkeitskategorien (etwa sexuelle oder religiöse Orientierung) ausgespielt werden, was jedoch nicht bedeutet, dass derartige Daten nicht gesammelt werden dürfen. Dark Patterns werden verboten, Minderjährigen darf keine personalisierte Werbung mehr angezeigt werden und – und das ist wesentlich – Plattformen werden verpflichtet, niedrigschwellig zugängliche Meldesysteme zu betreiben, Meldungen zeitnah zu bearbeiten, illegale Inhalte zu löschen und bei der Ermittlung dieser illegalen Inhalte mit zivilgesellschaftlichen Initiativen zusammenzuarbeiten. Nicht erlaubt ist hingegen die Uploadfilterung: Es darf nicht bereits beim Upload automatisch geprüft werden, ob ein Inhalt illegal sein könnte.

Jozef Síkela, der tschechische Minister für Industrie und Handel, sieht in der Regulierung einen Meilenstein: „Das Gesetz über digitale Dienste ist eine der bahnbrechendsten horizontalen Verordnungen der EU und ich bin überzeugt davon, dass es das Potenzial hat, zum ‚Goldstandard‘ für andere Regulierungsbehörden in der Welt zu werden. Durch die Festlegung neuer Standards für mehr Sicherheit und Rechenschaftspflicht im Online-Umfeld markiert das Gesetz über digitale Dienste den Beginn einer neuen Beziehung zwischen Online-Plattformen, Nutzenden und Regulierungsbehörden in der Europäischen Union und darüber hinaus“.

In Kraft treten wird das Gesetz, nachdem es im Amtsblatt der EU veröffentlicht wurde und eine mehrmonatige Übergangsfrist abgelaufen ist.

Kritik am Digital Services Act

Rein positiv wird die neue Form der Regulierung jedoch keineswegs betrachtet. So wird etwa befürchtet, dass die zur Löschung illegaler Inhalte angehaltenen Plattformen eher zu viel als zu wenig löschen und damit die Meinungsfreiheit beschneiden werden. Im Gesetzestext ist zwar festgehalten, dass die Nutzenden mehr Möglichkeiten als bisher haben sollen, gegen die Löschung ihrer Inhalte vorzugehen; es ist jedoch naheliegend, dass die Plattformen zur Vermeidung hoher Strafzahlung nicht das Risiko eingehen wollen, einen potentiell illegalen Inhalt bestehen zu lassen, und deshalb präventiv zunächst löschen – um dann nach einer Beschwerde möglicherweise zurückzurudern. Hierzu trägt der Umstand bei, dass eine juristische Prüfung nicht vorgesehen ist: Ist die Rechtswidrigkeit für die Plattform erkennbar, muss sie löschen.

Kritisiert wird ferner, dass die EU-Kommission mit dem Digital Services Act die Möglichkeit erhält, eine Art Notstand auszurufen, was ihr die Möglichkeit eines noch stärkeren Zugriffs auf große Plattformen und ihre Inhalte gibt. Die Bewegung European Digital Rights sieht hierin einen Verstoß gegen grundsätzliche demokratische Prinzipien: Ohne demokratische Entscheidung kann die EU-Kommission sich selbst das Recht zusprechen, den Zugang zu Informationen sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet zeitweise einzuschränken. Diese Kritik steht im Zusammenhang mit der Kritik am generellen Demokratiedefizit der EU, das sich vor allem an der EU-Kommission festmachen lässt, die die EU-Politik weitgehend bestimmt, ohne gewählt worden zu sein.

Ferner kritisiert wird von European Digital Rights in diesem Zusammenhang der Umstand, dass unklar ist, wann genau eine Krise vorliegt, die eine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit darstellt. Die Definitionsmacht liegt hier alleine bei der EU-Kommission, die bei Feststellen einer solchen Lage ihre eigenen Rechte ausweiten kann – was den Prinzipien einer demokratischen Kontrolle diametral entgegensteht.

Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei, kritisierte zudem, dass die Möglichkeit vertan worden sei, digitale Rechte gesetzlich festzuschreiben. Stattdessen sei mit dem Gesetz der Weg freigemacht worden für „willkürliche[] Plattformzensur sowie grenzüberschreitende[] Löschanordnungen aus illiberalen Mitgliedsstaaten ohne Richterbeschluss […], so dass völlig legale Berichte und Informationen gelöscht werden können“. Breyer bezieht sich damit darauf, dass jeder EU-Mitgliedstaat eine Koordinationsstelle für digitale Dienste einrichten soll, die für die Durchsetzung des Gesetzes verantwortlich ist – und somit relativ weitreichende Entscheidungen treffen kann, die EU-weit gültig sind. Lediglich die Aufsicht über die größten Plattformen liegt direkt bei der EU – und dort nicht etwa beim gewählten Parlament, sondern bei der Kommission.

Simon Lüthje

Ich bin der Gründer dieses Blogs und interessiere mich für alles was mit Technik zu tun hat, bin jedoch auch dem Zocken nicht abgeneigt. Geboren wurde ich in Hamburg, wohne nun jedoch in Bad Segeberg.

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