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KI-Verordnung zu streng: Droht das Aus für ChatGPT in der EU?

In der EU soll eine Verordnung zur Regelung KI-basierter Programme wie ChatGPT in Kraft treten. Aus Sicht des Chefs von OpenAI, Sam Altman, geht das Ganze im ersten Entwurf aber einen Schritt zu weit.

Zu strenge Regeln für ChatGPT in der EU?

Das Thema „Künstliche Intelligenz“ bestimmt seit Monaten nicht nur die Technikwelt. Stattdessen wird Software wie ChatGPT eine große Bedeutung für die gesamte Gesellschaft zugeordnet. Manch einer vergleicht die auf Machine Learning basierende Technologie gar mit historischen Meilensteinen wie der Industrialisierung oder der Erfindung des Buchdrucks. Da verwundert es auch nicht, dass von Seiten der Politik, aber auch aus den Reihen der Tech-Branche gefordert wird, dass man umfassende Regeln für die Nutzung Künstlicher Intelligenzen aufstellt. Selbst einer der großen Köpfe hinter ChatGPT ist dieser Meinung. Sam Altman, Chef von OpenAI, ist seit längerer Zeit der Meinung, dass die Politik mit entsprechenden Regularien reagieren müsse.

Gesagt, getan. Das ließ sich die EU nicht zweimal sagen. Dementsprechend hat man in der Staatengemeinschaft kurzerhand eine KI-Verordnung auf die Beine gestellt. Diese geht aus Sicht des KI-Heilbringers jedoch einen Schritt zu weit. Nachdem der Experte einen Blick in den ersten Entwurf geworfen hat, fällt sein Urteil vernichtend aus. So bezeichnete er die Verordnung im Rahmen eines Panels am University College London am Mittwoch schlicht als „Überregelurierung“. Dennoch zeigte er sich offen, die geplanten Vorschriften einzuhalten. Sollte dies jedoch nicht möglich sein, schreckt das Unternehmen nach Angaben des OpenAI-Chefs nicht davor zurück „den Betrieb“ einzustellen.

Altman verweist auf „technische Grenzen“

In einem Interview mit dem Time-Magazine verdeutlichte Altman vor kurzem seine Ansichten zu Regeln für Künstliche Intelligenzen. So betonte er, dass diese von großer Bedeutung seien, machte aber darüber hinaus deutlich, dass es „technische Grenzen“ für diese gäbe. So kann eine Überregulierung, wie er sie im bisherigen Entwurf der EU erkennt, Programme wie ChatGPT in ihrer Funktionsweise derart einschränken, dass eine normale Nutzung nicht mehr möglich wäre. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es sich auf Basis des EU-Entwurfs bei ChatGPT um eine Software mit hohem Risikopotenzial handelt. Das geht jedoch nicht mit einem Verbot der KI-Lösung einher. Stattdessen sorgt die Klassifizierung dafür, dass OpenAI viele Auflagen zu seinem System erfüllen muss. Dazu gehört unter anderem die Abgabe einer Risikoabschätzung. Böse Zungen mögen behaupten, dass der gegenwärtige Entwurf die klassisch europäische Regelungswut unterstreicht.

Andere wiederum dürften in der Verordnung einen richtigen und wichtigen Schritt dahin sehen, Künstliche Intelligenz im Zaum zu halten. Da die Regelungsvorhaben derzeit global diskutiert werden, schlägt Altman einen Kompromiss vor. Er rät sowohl der EU als auch der USA zu einem Mittelweg der beiden verschiedenen Ansätze. Aus seiner Sicht müsste es im Endeffekt zu einer Regulierung kommen, die von „traditionell europäischen“ strengen Vorgaben, aber eben auch der erfahrungsgemäß recht freien US-Amerikanischen Grenzsetzung geprägt ist. Sollte dies nicht der Fall sein, stellt sich nicht nur für OpenAI eine Mammutaufgabe, alles in Einklang zu bringen. Auch Entwickler, welche die KI-Lösung als Basis ihrer Arbeit nutzen möchten, sehen sich dann mit einem großen Hindernis konfrontiert. Schließlich denken selbst kleine Tech-Firmen heutzutage global und haben schlichtweg nicht die Ressourcen, für zwei unterschiedliche Märkte zu entwickeln.

EU-Parlament setzt auf umfassende Prüfung

Hintergrund des Ganzen ist ein Gesetzesentwurf, den das EU-Parlament vor einigen Tagen entwickelt hat. Aus einer Zusammenarbeit verschiedener Ausschüsse gingen daraus erste Eckpfeiler für eine KI-Verordnung hervor. In der Verordnung lassen sich für Künstliche Intelligenzen, die dafür entwickelt wurden, große Datenmengen zu verarbeiten, recht strenge Regeln lesen. So sollen die Betreiber hinter entsprechenden Anwendungen dafür sorgen, dass Risiken für gesellschaftliche Eckpfeiler wie Demokratie, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit und die Grundrechte entsprechend minimiert werden. Dabei möchte man unter Umständen auch die Betreiber von Diensten wie ChatGPT dazu verpflichten, Kontrollen durch unabhängige Experten durchführen zu lassen.

Obendrein sieht die Verordnung vor, dass sich Firmen wie OpenAI sehr transparent zeigen sollen, wenn es um die Basis ihrer KI geht. So sollen insbesondere urheberrechtlich geschützte Trainingsdaten ausführlich dokumentiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Gegen die Transparenz selbst hat Altman offenbar nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil. Im Rahmen seines Redebeitrags in London betonte er, dass die Nutzer von Programmen wie ChatGPT umfangreichen Zugang bekommen sollten. Geht es nach ihm, sollte man dafür eine neue Behörde gründen. Deren Aufgabe sollte es dann sein, Basismodelle von Künstlichen Intelligenzen wie ChatGPT eingehend zu prüfen.

Während das auf dem Rest des Globus derzeit lediglich besprochen wird, ist eine solche Untersuchung in der EU bereits im vollen Gange. So setzt sich der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) zur Zeit mit einer eigens gegründeten Taskforce mit dem KI-Basismodell auseinander. Anlass für die Gründung der Diskussionsplattform war ein durch die italienische Datenschutzbehörde ausgesprochenes vorübergehendes Verbot von ChatGPT. Im Anschluss daran diskutierte man auch ein Verbot in Deutschland. Mittlerweile ist der Dienst aber wieder in der gesamten EU verfügbar. Dennoch möchte man sich im Rahmen der Taskforce über eine gemeinsame Strategie im Umgang mit derartigen KI-Basismodellen austauschen.

Verliert EU den Anschluss bei ChatGPT und Co.?

Experten sind sich einig, dass KI-Lösungen wie ChatGPT in den nächsten Jahren nicht nur die Technikwelt, sondern auch unsere Gesellschaft bestimmen werden. Insbesondere im Bereich der Arbeit könnten derartige Basismodelle für eine weitreichende Umwandlung sorgen. Welche Möglichkeiten das für den gemeinen Nutzer bedeutet, hat Microsoft im Rahmen seiner Entwicklerkonferenz erstmalig gezeigt. Der Windows Copilot basiert auf derselben Technik wie ChatGPT und steht seinem User jederzeit zur Verfügung. Sollte der praktische Helfer wirklich halten, was Microsoft verspricht, dürfte sich das Investment von 10 Milliarden US-Dollar vom US-Tech-Konzern definitiv ausgezahlt haben. Dabei ist OpenAI mit ChatGPT erst der Anfang. Es ist kein Geheimnis, dass auch andere namhafte Größen aus der Technikwelt an ihren Lösungen arbeiten. Dazu gehören Google, aber auch Amazon.

Umso wichtiger ist es, dass die EU ihre derzeit geplanten sehr strikten Regelungen vielleicht noch einmal überdenkt. Wie das bei den zuständigen Entwicklern ankommt, macht der Release von Google Bard deutlich. Die ChatGPT-Alternative des Suchmaschinengiganten ging kürzlich in 180 Ländern ans Netz. Dazu gehört jedoch kein einziges EU-Land. Offenbar sieht Google die gegenwärtige Diskussion im EU-Parlament problematisch. Ein Release ist aus Sicht von Sundar Pichai, Google-CEO, derzeit einfach zu riskant. Schließlich  sorgt die unsichere Rechtslage dafür, dass man nicht sinnlos die hauseigene KI an den Start bringen möchte. Noch nicht zumindest. Nach Angaben des Suchmaschinengiganten möchte man nämlich nach finalem Inkrafttreten der KI-Verordnung Bard auch in unseren Gefilden an den Start bringen. Dabei sollen nicht nur die speziellen KI-Regeln eingehalten werden.

Google möchte sich an Gesetze halten

Obendrein verspricht Google, dass man andere Verordnungen wie den im Oktober 2022 in Kraft getretenen Digital Services Act (DSA) sowie die Datenschutzgrundverordnung einhalten möchte. Dies verkündete Pichai zumindest bei einem Treffen mit dem EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Die Aussagen von Google wirken angesichts der diversen Datenschutz- und Wettbewerbsverstöße, die sich der Tech-Konzern in den letzten Jahren in der EU zu Schulden kommen ließ, ein wenig unglaubwürdig. So kassierte das US-Unternehmen erst im Januar eine Abmahnung vom Bundeskartellamt aufgrund der fragwürdigen Verarbeitung von Nutzerdaten. Wirkliche Abhilfe dieser Problematik wird wohl erst ein Nachfolger des Privacy Shield schaffen. EU und USA wollen sich diesbezüglich um eine gemeinsame Linie beim Thema Datenschutz bemühen. Derzeit arbeitet die EU-Kommission am entsprechenden Angemessenheitsbeschluss.

Zusammenarbeit von Politik und Tech-Branche

Wie aus einem Statement von Thierry Breton gegenüber den Experten von TechCrunch hervorgeht, bemüht man sich hinter den Kulissen um eine enge Zusammenarbeit mit den Experten aus der Tech-Branche. Schließlich wissen diese am besten, welche Tragweite KI-Basismodelle auch in naher Zukunft haben werden. Weiterhin gab er zum Ausdruck, dass man sich mit Google geeinigt haben möchte, Bard nicht erst nach Inkrafttreten der KI-Verordnung auf europäischen Rechnern nutzen zu können. Hier wird der Spagat deutlich, den die EU-Politik gerade machen muss. Zum einen möchte man die Bevölkerung vor massenhaften Verletzungen von Datenschutz- sowie Urheberrechten bewahren. Auf der anderen Seite ist man sich natürlich auch in Brüssel bewusst, dass KI das Thema sein wird, welches unsere Gesellschaft in Zukunft stark prägen wird.

Hier möchte man nicht den Anschluss verlieren und sich vor allem nicht für wichtige, geldbringende Tech-Unternehmen unattraktiv machen. Dementsprechend will man sich als vorübergehende Lösung über das Aushandeln eines sogenannten KI-Paktes geeinigt haben. Dieser soll schneller in Kraft treten als die KI-Verordnung und ebenfalls Verhaltensregeln für Entwickler von KI-Basismodellen aufstellen. Allerdings wird das Ganze lediglich auf freiwilliger Basis stattfinden. Dabei spielt abermals die Zusammenarbeit zwischen EU und USA eine große Rolle. Gemeinsam möchte man Standards für Künstliche Intelligenzen aufstellen. Dies verkündete Margrethe Vestager, Kommissionsvizepräsidentin mit Zuständigkeit im Bereich Digitales, auf dem G7-Gipfel in Hiroshima.

Jens Scharfenberg

Gaming und Technik waren stets meine Leidenschaft. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Als passionierter "Konsolero" und kleiner "Technik-Geek" begleiten mich diese Themen tagtäglich.

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