Die EU plant, einen digitalen Identitätsnachweis einzuführen, der in der gesamten EU online sowie offline genutzt werden kann. Das EU-Parlament hat diese Pläne nun kritisiert und einen Kompromissvorschlag erarbeitet.
Digitaler Identitätsnachweis
Der geplante digitale Identitätsnachweis soll dazu führen, dass alle Menschen, die in der EU leben, eindeutig identifiziert werden können. Ein Herzstück des Vorhabens ist dabei eine lebenslang gültige Identifikationsnummer, auf die Behörden und Unternehmen zugreifen können sollen. Eine Verknüpfung mit weiteren Dokumenten, die biometrische Daten enthalten, ist ebenfalls vorgesehen. Pseudonym genutzt werden können soll die digitale ID ausdrücklich nicht.
Die digitale Identität ist nicht identisch mit dem digitalen Ausweis, der in Deutschland bereits seit einiger Zeit genutzt werden kann.
Massive Datenschutzprobleme
Nach der Vorstellung der Pläne im Jahr 2021 regte sich Kritik von Datenschutzverbänden. Diese wiesen etwa darauf hin, dass bei einer eindeutigen Personenkennziffer, die nicht nur behörden-, sondern auch länderübergreifend verwendet wird, die Erstellung detaillierter Persönlichkeitsprofile möglich sei. Schützen könnten die Betroffenen sich davor sowie vor den weiteren Konsequenzen indes nicht, wenn der Staat sie zur Anlage und/oder Nutzung der digitalen ID verpflichtet. Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei, forderte daher eine dezentrale Datenspeicherung, die Möglichkeit der pseudonymen Nutzung sowie zwecks Transparenz die Quelloffenheit der eingesetzten Software.
Das Vorhaben aus dem Jahr 2021 steht insgesamt in einer Reihe mit vielen anderen Gesetzesänderungen auf EU- sowie auf nationaler Ebene, die staatliche Überwachung legalisieren und damit die Privatsphäre von Privatpersonen einschränken. Die gegenüber der digitalen ID weitaus weniger umfassende Steueridentifikationsnummer als persönliche Kennziffer etwa hatte ihrem Erfinder Peer Steinbrück 2007 den BigBrother-Award für Verletzung der Privatsphäre und Förderung von Überwachung eingebracht.
Modifizierung durch das EU-Parlament
Das EU-Parlament hat nun Stellung zum Gesetzesvorschlag bezogen und zahlreiche Änderungen vorgeschlagen. Diese zielen primär darauf, die Autonomie der Betroffenen gegenüber dem Staat zu erhalten. Die persönliche Identifikationsnummer wird im Vorschlag des EU-Parlaments etwa abgelehnt. Ferner fordert das Parlament, dass die Nutzung der eID freiwillig bleiben muss. Staatliche Stellen sollen verpflichtet werden, weiterhin andere Möglichkeiten der Identifizierung und Authentifizierung anzubieten.
Zu den weiteren wesentlichen Forderungen gehören die nach einer pseudonymen Nutzungs- sowie einer Widerrufsmöglichkeit. So sollen Betroffene jederzeit das Recht haben, ihre eID löschen zu lassen. Wesentlich ist ferner der Vorschlag, sog. Null-Wissen-Bereiche einzuführen. Behörden und Unternehmen sollen damit nur diejenigen Informationen abrufen können, die für die Nutzung eines bestimmten Dienstes zwingend erforderlich sind. Ist für einen Online-Service etwa Volljährigkeit vorgeschrieben, so soll die zuständige Stelle ausschließlich das Alter, nicht jedoch andere Informationen zur Person abrufen können.
Vorgesehen ist im Entwurf des EU-Parlaments darüber hinaus die Implementierung eines Dashboards, in dem eingesehen werden kann, mit wem welche Daten geteilt wurden. Auch diese Funktion soll für Transparenz und damit letztlich für mehr Autorität über die eigenen Daten sorgen.
Weitere Entwicklungen offen
Aufgrund der offensichtlichen Uneinigkeit zwischen EU-Kommission, Mitgliedstaaten und EU-Parlament ist die weitere Entwicklung in der Angelegenheit offen. In einem Trilog soll ein Vorschlag entwickelt werden, dem alle drei Parteien zustimmen. Ob das gelingt, ist bisher nicht absehbar.
Ebenfalls unklar ist, ob es der Piratenpartei gelingen wird, über den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten zu erreichen, dass die dezentrale Speicherung der Daten auf den Geräten der Nutzenden ins Gesetz geschrieben wird.