Über GSM-R dem GSM-Railroad-Standard können Lokführer von Eisenbahnen auch mobil telefonieren. Das GSM im Namen meint zwar auch das GSM für die Öffentlichkeit, in diesem speziellen Fall wurde das Mobilfunksystem aber nochmal um Bahn-spezifische Punkte erweitert. Es beinhaltet also exklusive Frequenzen und es gibt eigene SIM-Karten. Wer 3G und 4G bei der Bahn sucht, der wird wohl nicht fündig. Diese Mobilfunksysteme sind an den Bahnen weltweit vorbei gegangen, Man verwendet immer noch GSM-R bei 800 MHz (unterhalb des E-GSM-Bandes). Und zwar zur Zugsteuerung, Sicherung und Kommunikation des Zugpersonals mit den Stellwerken oder Fahrdienstleitern.
Aber auch die Bahnen müssen mal im digitalen Zeitalter ankommen. In der Vergangenheit wurde dafür schon mehrfach über LTE-R, also ein spezielles LTE-System für Züge, diskutiert. Bisher ohne Erfolg. Doch jetzt will man in Europa hoch hinaus. Das sogenannte „Future Railway Mobile Communication System“, kurz FRMCS, könnte nun auf der Basis von 5G umgesetzt und unter anderem in einer Hamburger S-Bahn ausprobiert werden. Insgesamt sind aber mehr als 110 Eisenbahn- und S-Bahn-Betreiber an dem Projekt beteiligt.
Nokia unterstützt Bahnen mit 5G-Technologie
Das glückliche Unternehmen, welches nun den Test und die Lieferung des weltweit ersten 5G-Standalone-Netzes für den automatisierten Bahnbetrieb umsetzen darf, heißt Nokia. Sie haben den Zuschlag für dieses Projekt namens „Digitale S-Bahn Hamburg“ der Deutschen Bahn AG bekommen.
Klar, bei Nokia denkt erstmal jeder an unzerstörbare Handys im Blockdesign, aber das Unternehmen ist viel mehr als das. Nachdem die Handysparte zu Microsoft gewechselt ist, gingen die Markenrechte an die Firma HMD Global, die nun wieder unter dem Namen Nokia Handys und Smartphones verkaufen. Somit ist der ursprüngliche Konzern nicht mehr im Consumer Electronics Bereich angesiedelt, sondern enthält unter anderem die ehemalige Mobilfunk-Sparte von Siemens und Alcatel-Lucent und ist neben Ericsson und Huawei einer der größten Netzwerkausrüster der Welt.
Nokia hat auch bereits Erfahrung bei der Bereitstellung von GSM-R-Systemen für Bahnbetreiber erworben, die über den GSM-R-Standard in 22 Ländern eine Gleislänge von 109.000 km abdecken. Das Unternehmen ist also bestens für diesen Auftrag gewappnet. Man merkt aber auch hier, dass die Bahn nicht ganz flächendeckend versorgt ist. Das hatte im Jahr 2016 verheerende Folgen, als zwei Züge frontal bei Bad Aibling in Bayern auf unübersichtlicher Strecke zusammengestoßen sind. Schuld daran war ein Signalisierungs-Fehler des Fahrdienstleisters. Dieser ließ sich wegen eines Funklochs, in dem die Züge nicht erreichbar waren, nicht mehr rückgängig machen.
Es wird also höchste Zeit nachzubessern. 5G ist dabei ein Schritt in die richtige Richtung. Nokia möchte damit zum einen die extremen Konnektivitätsanforderungen des digitalen Bahnbetriebs erfüllen. Zum anderen wollen sie die Weichen im Hinblick auf die Digitalisierung des Bahnbetriebs stellen.
Strenge Anforderungen für neue Kommunikationswege
Extreme Konnektivitätsanforderungen hat die Bahn allemal. Wie man an dem oben genannten Unfall gut sehen kann, hängen Menschenleben, die Sicherheit der Züge und ihrer Fracht von einem reibungslosen Ablauf ab. Da darf es keine unbegehbaren Fehler oder Ausfälle geben. So schaut die Bahn besonders auf die Vernetzung der Bahnsysteme, die Sicherheit gegen Eindringlinge, die den Zugverkehr stören oder gefährden könnten, die Verarbeitung von zigtausend Sensor-Signalen und die Datenanalyse, womit Auslastung von Strecken, Verspätungen etc. berechnet werden können.
Bei dem Projekt „Digitale S-Bahn Hamburg“, dass 2021 anlaufen soll, geht es aber um weitaus mehr als ein neuer Mobilfunkzeitalter mit 5G. Die Züge werden vollautomatisiert und zwar auf einem 23 Kilometer langen Abschnitt der S-Bahn Hamburg. Zunächst wird ein Triebfahrzeugführer weiterhin mit an Bord sein, um bei Störungen oder Unregelmäßigkeiten eingreifen zu können. Doch sobald die S-Bahnlinie 21 seine Endstation Bergedorf bzw. Aumühle erreicht hat, steigen die Fahrgäste und Triebfahrzeugführer aus und der leere Zug fährt vollautomatisiert und fahrerlos auf ein Rangiergleis. Dort wendet er und fährt selbstständig zur S-Bahn-Station zurück.
Für diese vollautomatisierte Bereitstellung müssen Zugsteuerungsinformationen über das Nokia 5G-Mobilfunknetz übertragen werden. Die Lösung basiert dabei auf 3GPP-Standards für 5G-Mobilfunknetze. Hoch- oder vollautomatisierte Züge können auf dieser Basis die benötigten Daten über eine 5G-Funkverbindung mit gleisseitigen Kommunikationseinrichtungen austauschen. Falls das Projekt glückt, wird FRMCS mit 5G später flächendeckend ausgebaut. Die Bahn erwartet positive Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Betrieb, die Kapazität und die Pünktlichkeit der Züge. Das wiederum kommt auch der Kundenzufriedenheit zu Gute.
Unsere gemeinsame Arbeit bei Forschung, Entwicklung und Realisierung hat das weltweit erste 5G-basierte Kommunikationssystem für den automatisierten Bahnbetrieb hervorgebracht. Das ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Future Railway Mobile Communication System und hat uns auch der Industrie 4.0 einen großen Schritt nähergebracht.Kathrin Buvac, President von Nokia Enterprise und Chief Strategy Officer
Weltweit werden Bahnsysteme nachgebessert
Firmen wie Huawei, die sich auch mit 5G im Bahnbereich beschäftigen, verfolgen in China einen anderen Ansatz. Dort wird nicht mit der verbesserten Kommunikation innerhalb des Zugpersonals und der Züge gearbeitet. Huawei stellte im Sommer diesen Jahres stattdessen einen 5G-Bahnhof bei der Shanghai’s Hongqiao Station vor. Dort können sich Reisende also mit dem 5G-Netzwerk verbinden und sich ihre Zeit mit besserem Videostreaming vertreiben. Der Fokus ist hier ein anderer.
Obwohl man in China auch ähnliche Projekte wie das von Nokia sieht. Hier ist aber unklar, ob sie von Huaweis 5G-Technologie unterstützt werden. So hat man in Shenzhen den Einsatz des 5G-Mobilfunknetzes erprobt, um eine große Datenmenge von einer U-Bahn-Linie zum Bahnhof zu übertragen. Beim Test übertrug ein Zug, nachdem er am Terminal Futian Station angekommen war, in nur 150 Sekunden 25 GB Daten an den Kontrollraum der Station. In der Vergangenheit mussten die Angestellten aufgrund der niedrigen Geschwindigkeit des drahtlosen Netzwerks die Daten manuell von der Festplatte des Zuges herunterladen.
Die schnelle Übertragung von Daten, einschließlich der Betriebsinformationen und Überwachungsvideos des Zuges, soll daher die Effizienz der U-Bahn erhöhen. In Zukunft will man dann sogar die automatische Suche nach verlorenem Gepäck implementieren. In Notfällen soll die 5G-Bahnhofs-Kommunikation sogar mit Gesichtserkennung und intelligenter Verhaltensanalyse arbeiten. Damit sollen gefährliche Personen und Verhaltensweisen im Zug erkannt und näher untersucht werden. Eine solche Funktion wäre in Deutschland jedoch undenkbar.