Canonical hat 2013 das Projekt Ubuntu Touch vorgestellt, welches Ubuntu aufs Smartphone bringen sollte. Anfang 2015 war es dann endlich soweit und mit dem BQ Aquaris E4.5 kam das erste Ubuntu Phone auf den Markt.
Inzwischen gibt es zwar mit dem BQ Aquaris E5 schon einen Nachfolger, doch wir haben die erste Version für euch getestet. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass mir die Produktfotos abhanden gekommen sind und ich nur noch die Screenshots und Fotos der Kamera auffinden konnte. Ich hoffe ihr könnt mir das verzeihen.
Ubuntu Phone – mal etwas anderes
Auf dem BQ Aquaris E4.5 läuft kein Android, iOS oder Windows, wie man es von den meisten Smartphones kennt. Die Hardware ähnelt vielen Android-Smartphones, doch die Software macht das Gerät zu etwas besonderem.
Ubuntu Phone wird vor allem mit Gesten von Bildschirmkanten bedient und hat keinen klassischen Home-Screen, sondern setzt auf sogenannte Scopes. Gucken wir uns das ganze im Detail an.
Bedienung
Beim ersten Start des Smartphones wird eine kurze Einführung gezeigt, die man sich unbedingt anschauen sollte. Hier werden die wichtigsten Gesten und Funktionen gezeigt – wer die Einführung überspringt findet sich später eventuell nicht zurecht, denn Ubuntu Phone unterscheidet sich deutlich von Android, iOS oder Windows Phone.
Genauso wie bei den üblichen Smartphone-Betriebssystemen bietet Ubuntu Phone einen Sperrbildschirm. Dieser beinhaltet Informationen zu verpassten Anrufen, Nachrichten etc. Diese werden jedoch nicht alle auf einmal angezeigt, sondern es kann zwischen den verschiedenen Infos gewechselt werden. Entsperrt wird der Bildschirm dann einfach mit einem Wisch nach links oder rechts. Anschließend gibt es die üblichen Abfragen wie z. B. Muster, PIN oder auch gar nichts.
Nach dem Entsperren könnt ihr den ersten Scope – den Heute-Scope sehen. Da die Scopes eine grundlegende Funktion innerhalb von Ubuntu Phone einnehmen, erkläre ich diese später gesondert.
Kommen wir zu den Wischgesten. Wenn ihr eine Wischgeste vom linken Bildschirmrand ausführt, öffnet sich eine Schnellstart-Leiste mit App-Icons. Wer Ubuntu auf dem PC nutzt, wird daran die typische Unity-Leiste des Ubuntu-Desktops erkennen. Doch mit einer Geste vom linken Bildschirmrand lässt sich noch mehr erreichen. Zieht man den Wisch über den kompletten Bildschirm durch, während man sich in einer App befindet, landet man wieder auf dem Home-Scope.
Wir gehen einmal im Uhrzeigersinn die Gesten ab. Kommen wir nun also zu der Wischgeste von oben: Es öffnen sich die Benachrichtigungen und Schnell-Einstellungen. Zum einen sind die Einstellungen über mehrere Tabs erreichbar, man kann aber auch beispielsweise auf das Akku-Symbol drücken und nach unten ziehen um direkt in den Akku-Einstellungen zu landen. Sehr praktisch.
Die Wischgeste vom rechten Bildschirmrand ist sehr praktisch fürs Multitasking. Ein kurzer Wisch öffnet die zuletzt verwendete App, so kann man schnell zwischen zwei Apps hin und her springen. Ein langer Wisch hingegen öffnet den App-Switscher, der alle geöffneten Apps in einer 3D-Ansicht darstellt. So kann man per Klick einfach in einer andere App wechseln oder diese mit einem Wisch nach oben oder unten beenden.
Kommen wir nun zum letzten Bildschirmrand. Die Wischgeste von unten ausgehend kann man leider gar nicht exakt beschreiben. Denn sie ist nicht genormt und kann von jeder App unterschiedlich genutzt werden. Jeder App-Programmierer kann selber entscheiden, was er dort anzeigen lassen möchte.
Scopes
Kommen wir nun zu den Scopes – dem wohl größten Erkennungsmerkmal von Ubuntu Phone im Vergleich zu Android, iOS oder Windows Phone. Ubuntu Phone besitzt nämlich keinen normalen Home-Screen, sondern sogenannte Scopes. Diese sammeln Informationen aus verschiedenen Quellen und stellen diese aufbereitet vor. Bilder zu den einzelnen Scopes findet ihr in der Gallerie am Ende dieses Abschnitts.
Nach dem Entsperren des BQ Aquaris E4.5 landen wir auf dem Heute-Scope. Dieser stellt Informationen des aktuellen Tages gesammelt dar. So erhält man direkt und schnell einen Überblick über Wetter, Termine, Aufgaben, Feiertage, die letzten Anrufe & Mitteilungen, Nachrichten und aktuelle Trends.
Mit einem Wisch zur Seite landen wir jeweils beim nächsten Scope. Der zweite Scope in der Reihe ist der NearBy-Scope. Dieser basiert auf dem GPS-Standort und zeigt Informationen aus der Umgebung an. Dabei kann man aus verschiedenen Stimmungen auswählen: „Mir ist langweilig„, „Unterwegs„, „Ich habe Hunger„, „Ich habe Durst“ und „Ich bin gestresst„. Passend dazu zeigt der Scope dann Sehenswürdigkeiten, Restaurants, Geschäfte etc. an. Die Informationen werden über Yelp bezogen und mit Hilfe von Flickr Bildern und Wikipedia-Artikeln aufgemotzt. Ein sehr interessanter Scope.
Außerdem gibt es noch einen expliziten News-Scope. Dieser kann individualisiert werden, denn man kann die Quellen bearbeiten. Dabei gibt es jedoch leider fast nur englische Seiten und es können nur die vordefinierten aktiviert bzw. deaktiviert werden. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, dass das Feature in kommenden Updates offener gehandhabt wird.
Die weiteren Scopes sind weniger spannend, auch wenn sie sowohl off-, als auch online Informationen zusammen darstellen können. Standardmäßig aktiviert sind noch der Musik-Scope, der Video-Scope und der Foto-Scope. Weitere Scopes sind verfügbar und können mit einer Wischgeste vom unteren Bildschirmrand eingestellt werden. Man sollte jedoch darauf achten nicht zu viele Scopes gleichzeitig aktiviert zu haben, da man sonst schnell den Überblick verlieren kann.
Apps
Die Apps werden unter Ubuntu Phone im App-Launcher in zwei Gruppen geteilt. Zuerst werden die 6 am häufigsten benutzten Apps dargestellt. Danach folgen alle weiteren installierten, die zum Glück auch nach Kategorie gefiltert werden können.
Vorinstalliert und nativ eingebunden sind die Standard-Apps, wie man sie auch von anderen Betriebssystemen kennt: Telefon, Nachrichten, Kontakte, Kamera (nur HDR, GPS-Lokalisierung, Selbstauslöser), Browser (nur Favoriten & Tabs, keine Einstellungen), Foto-Galerie (Gruppierung nach Tags), Uhr, Musik, Wetter und Aufgaben. Außerdem ist der Messenger Telegram bereits vorinstalliert – andere Messenger wie WhatsApp sind jedoch leider gar nicht oder nur mit großem Aufwand installierbar.
Zusätzlich sind noch einige WebApps installiert, die man auch als bloße Verknüpfung bezeichnen könnte. Darunter fallen Amazon, eBay, Facebook, GMail, Twitter und YouTube.
Ubuntu Store
Ein App Store darf auf einem Smartphone natürlich nicht fehlen. Dieser nennt sich passend Ubuntu Store und stellt weitere Apps und Scopes zur Verfügung. Um neue Apps oder Updates zu installieren benötigt man einen Ubuntu One Account, welcher schnell erstellt ist.
Nachteilig an der geringen Verbreitung von Ubuntu Phone ist eindeutig die geringe Rentabilität von Apps für Programmierer. Es lohnt sich für Programmierer einfach nur Apps für Ubuntu Phone zu programmieren und das sieht man eindeutig am Ubuntu Store. Dieser ist mit unter 2.000 Apps sehr knapp gefüllt.
Weitere Screenshots (Einstellungen etc.)
Hardware
Im Inneren des BQ Aquaris E4.5 werkelt ein Vierkern-Prozessor von MediaTek mit 1,3 GHz. Unterstützt wird dieser von 1 GB Arbeitsspeicher.
Als interner Speicherplatz sind 8 GB verbaut, wovon 2,5 GB vom System belegt sind. Euch stehen also noch 5,5 GB für eure Dateien und Apps zur Verfügung. Durch eine microSD-Karte kann der Speicher noch um 32 GB erweitert werden.
Das Display ist 4,5 Zoll groß und bietet eine Auflösung von nur 540 x 960 Pixel, welche man bei genauem Hinschauen natürlich schon erkennen kann.
Eine Kamera darf einem aktuellen Smartphone natürlich nicht fehlen. Die Frontkamera kommt mit 5 Megapixel daher, während die rückseitige Kamera 8 Megapixel und einen Dual-Flash-Blitz bietet.
Eingebettet ist die ganze Hardware in einem 6,7 x 13,7 x 0,9 cm (B x H x T) großen Gehäuse. Mit nur 123 Gramm zählt das Smartphone zu den leichteren.
Als besonderes Feature bietet das Aquaris E4.5 noch die Möglichkeit zwei SIM-Karten zu verwenden, denn es bietet Dual-SIM an.
Wer noch weitere Hardware-Specs angucken möchte, kann sich hier das Handbuch herunterladen.
Kamera
Die Kamera ist leider nicht wirklich gut, denn sie bietet nur verwaschene Farben. Selbst bei guten Lichtverhältnissen werden die Bilder nicht wirklich gut und die Bilder rauschen stark.
Probleme hatte ich leider auch mit dem Autofocus, denn dieser wollte nicht wirklich mit mir zusammen arbeiten. Entsprechend sind die Bilder oft sehr verschwommen geworden, da einfach der Focus fehlte.
Die Bilder in der Gallerie sind teilweise mit direkter Sonneneinstrahlung oder Nachts gemacht worden. Ich denke das erkennt man ganz gut.
Qualität
Das Smartphone bietet zwar eher langsame Komponenten, was bei dem Preis normal ist, dennoch ist die Verarbeitungsqualität gut.
Das Smartphone liegt angenehm in der Hand und das Plastik fühlt sich sehr gut an. Leider ist es jedoch ein wenig glatt und rutscht leicht aus der Hand. Die Rückseite hat also sehr wenig Grip.
Das Aquaris E4.5 ist verwindungssteif und auch ein Knarzen konnte ich nicht vernehmen.
Nicht ganz ideal gelegen fand ich die Bedientasten für Lautstärke und Power. Diese waren meiner Meinung nach ein wenig zu hoch an der Seite angebracht und auch zu nah aneinander. Ich habe da öfters den falschen Button erwischt, doch wenn man das Gerät länger benutzt wird man sich da sicherlich dran gewöhnen.
Wie bei fast jedem Smartphone kann ich nur die Empfehlung aussprechen eine Hülle und eine Displayfolie zu nutzen. Schaden können die nie – und eine Hülle sorgt auch für den notwendigen, aber leider fehlenden Grip.
Fazit
Das BQ Aquaris E4.5 bietet ähnliche Hardware wie Android-Smartphones in dem Preissegment. Daran kann man also kaum meckern. Leider ist diese jedoch ein wenig zu schwach und manchmal kommen Ruckler und Wartezeit vor. Dies kann jedoch auch an dem neuen Betriebssystem liegen, man sollte beobachten, wie sich das entwickelt.
Ubuntu Phone ist ein Betriebssystem in das man sich ein wenig einarbeiten muss. Am Anfang ist es ungewohnt und man muss die Gesten erstmal kennenlernen sowie seine Scopes individualisieren. Das passiert jedoch sehr schnell.
Für die erste Version eines Ubuntu Phones kann man an der Geschwindigkeit und dem Handling jedoch kaum etwas aussetzen. Was mich ein wenig gestört hat ist die geringe Auflösung des Displays, dies trifft man in dem Preissegment jedoch immer an. Außerdem lohnt sich Ubuntu Phone bisher eher für Bastler, denn die „wichtigen“ Apps wie WhatsApp sind noch nicht gebrauchstauglich.
Wie bei allen Smartphones empfehlen wir auch hier den Einsatz einer Glasfolie zum Schutz des Displays.
BQ Aquaris E4.5 Ubuntu Phone
Geschwindigkeit
Kamera
Bedienung
Funktionen
Ubuntu Store ist noch zu schwach bestückt!
Das Smartphone kann mit den Androiden zwar mithalten, leider ist der Ubuntu Store (App Store) aber noch sehr schwach mit Apps bestückt.